Madam Baeurin
»Ich hab eine Neuigkeit, Schwägerin!«
Die aber hört kaum vor Grimm und Ärger. Eben schickt sie sich an, ein paar Stäubchen aus dem Puder zu blasen.
Da fährt Adele fort: »Unsere Roserl wird
nicht
den Assessor heiraten. Sie hat sich eben
hier
verlobt ...«
Weiter kommt sie nicht mit ihrer Neuigkeit, denn die Rätin hat vor Schreck so stark in den Puder geblasen, daß sie aussieht wie ein Mühlknecht, was Adele so zum Lachen bringt, daß sie momentan nicht sprechen kann.
Ihre Schwägerin aber ringt nach Luft: »Waa ... as sagst du da ... Adele ...?«
»Daß Roserl sich eben hier verlobt hat, liebe Schwägerin!«
»Das ist doch Unsinn! Rosalie
ist
doch längst verlobt!«
»Aha. Jetzt kanns losgehen!« denkt sich Adele nicht ohne Bosheit. Und sehr laut und bestimmt wiederholt sie noch einmal: »Es ist, wie ich dir sagte; Rosalie hat sich
hier
verlobt.«
Die Rätin rappelt sich vom Boden auf und versucht, eine hoheitsvolle Haltung einzunehmen.
»Das glaube ich nicht!« sagt sie. »Davon hätte mich meine Tochter vorher verständigt!« Adele schmunzelt.
»Und wenn deine Tochter einmal ausnahmsweise dich nicht verständigt hätte?«
»Dann würde ich einfach entschieden nein sagen!« braust die alte Dame auf. »Und wenn's ein Prinz wäre!«
»Das ist er gar nicht einmal!« fährt's Adele heraus. »Nicht einmal ein Assessor!« – Die Rätin wird unsicher. »Du willst doch nicht etwa sagen, liebe Adele, daß meine Rosalie ...« »Sich mit Franz Schiermoser soeben verlobt hat!« ergänzt diese lachend. »Und zwar ganz ohne alle Zeremonien!«
Die Wirkung ihrer Worte ist furchtbar.
Die Rätin stößt einen heiseren Schrei aus, ihre Arme fuchteln wild in der Luft herum, und dann bricht ein wahrer Sturm der Entrüstung, des Schmerzes und Zornes los.
Sie zertrümmert ein Glas ums andere, ein Parfümfläschchen ums andere, rauft sich das Haar und rennt wie toll geworden in der Stube hin und her.
»Das ist eine Infamie!« ruft sie aus. »Das ist eine himmelschreiende Infamie! – Mit diesem Bauern hat sie sich ... Ohne Rücksichten! – Ohne Grundsätze! – Ohne Stolz und Standesgefühl! – Das ist hanebüchen! – Das ist einfach unglaublich! – Aber daraus wird mir nichts! Und wenn ich mich auf den Kopf stellen sollte ...«
»Was du aber gescheiter bleiben läßt!« meint Tante Adele nicht ohne Spott. »Denn es würde erstlich deiner Frisur schaden und zweitens sich doch gar nicht schicken ... für eine Dame von Stand ...«
Sie muß sich ducken, denn eine Blumenvase kommt geflogen.
Und die Rätin tobt wie eine gereizte Tigerin.
Aber mittendrin schaut sie in den Spiegel und besieht sich. Und der Anblick ihres mehlbestäubten, halb aufgelösten Ichs bringt ihr plötzlich wieder ihre gute Erziehung in Erinnerung.
Sie entfernt hastig den Puder vom Gesicht, ordnet das wirre Haar, bürstet das Kleid ab und sagt dann mit theatralischer Geste: »Ich reise sofort ab. Ich sage mich los von euch. Und ich werde das ungeratene Ding schon strafen. Ich enterbe sie.«
Leider übt auch dies keine Wirkung auf die lächelnde Schwägerin aus. Adele meint nur, wo nichts ist, hätte auch der Kaiser das Recht verloren zu erben.
Worauf die Rätin schluchzend das Taschentuch an die Augen führt, den unglücklichen Assessor beklagt, ihren Reisemantel anzieht, den englischen Hut mit dem Schleier aufsetzt und sich darnach trotz Gicht und Altersschwäche auf den Weg zur Bahn macht.
Tante Adele läßt sie ruhig gehen, lacht leise in sich hinein und murmelt: »Das wär gscheh'n. Das ist leichter gegangen, als ich gehofft hab. – Jetzt gehts hinter sie selber – hinter die Schiermoserin.«
17
Hinten im Austraghäusl des Schiermoserhofs sitzt die Bäuerin wie eine Kreuzspinne am Fenster und lauert hinter den geblumten Kattunvorhängen, damit ihr nichts auskommt, was vorn im Hof geschieht.
Und so bleibt ihr nicht verborgen, daß ihr Franz Hand in Hand mit dem Stadtfräulein zur Tenne geht, wo sie ihren Schiermoser an einem Treibriemen herumhantieren sieht.
Lachen und Scherzen dringt zu ihr hinüber und hinein in ihre stille Kammer, darin nur ein paar Herbstfliegen summen und die alte Uhr ihr steifes Ticktack hackt.
Sie ist zusehends alt geworden, die gute Schiermoserin.
Die Trennung von den Ihren, dies tatenlose, hinbrütende Leben taugt ihr nicht und macht sie ganz krank und serbend.
Das Brüllen ihrer Kühe, das Blöken der Kälber, das Gackern der Hennen schneidet ihr tief ins Herz und macht ihr ein Heimweh nach dem
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