Madame Bovary
mit; er
besorgte der Posthalterin eine Tonne Heringe, holte von der
Modistin Hauben und vom Friseur Lockenwickel. Auf dem Rückwege
verteilte er dann die Pakete längs seiner Fahrstraße. Wenn er am
Gehöft eines Auftraggebers vorbeifuhr, schrie er aus voller Kehle
und warf das Paket über den Zaun in das Grundstück, wobei er sich
von seinem Kutscherbocke erhob und die Pferde eine Strecke ohne
Zügel laufen ließ.
Heute kam er mit Verspätung. Unterwegs war Frau Bovarys
Windspiel querfeldein weggelaufen. Eine Viertelstunde lang pfiff
man nach ihm. Hivert lief sogar ein paar Kilometer
zurück; aller Augenblicke glaubte er, den
Hund von weitem zu sehen. Schließlich aber mußte weitergefahren
werden.
Emma weinte und war ganz außer sich. Karl sei an diesem Unglück
schuld. Herr Lheureux, der Modewarenhändler, der mit in der Post
fuhr, versuchte sie zu trösten, indem er ein Schock Geschichten von
Hunden erzählte, die entlaufen waren und sich nach langen Jahren
bei ihren einstigen Herren wieder eingestellt hatten. Unter anderem
wußte er von einem Dackel zu berichten, der von Konstantinopel aus
den Weg nach Paris zurückgefunden haben sollte. Ein andrer Hund war
hinter einander dreißig Meilen gelaufen und hatte dabei vier Flüsse
durchschwommen. Und sein eigner Vater hatte einen Pudel besessen;
der war volle zwölf Jahre weg. Eines Abends, als der alte Lheureux
durch die Stadt nach dem Gasthaus ging, sprang der Hund an ihm
hoch.
Kapitel 2
Emma stieg zuerst aus, nach ihr Felicie, dann Herr Lheureux und
eine Amme. Karl mußte man erst aufwecken. Er war in seiner Ecke
beim Einbruch der Dunkelheit fest eingeschlafen.
Homais stellte sich vor. Er erschöpfte sich der »gnädigen Frau«
und dem »Herrn Doktor« gegenüber in Galanterien und Höflichkeiten.
Er sei entzückt, sagte er, bereits Gelegenheit gehabt zu haben,
ihnen gefällig sein zu dürfen. Und in herzlichem Tone fügte er
hinzu, er lüde sich für heute bei ihnen zu Tisch ein. Er sei
Strohwitwer.
Frau Bovary begab sich in die Küche und an den Herd. Mit den
Fingerspitzen faßte sie ihr Kleid in der Kniegegend, zog es bis zu
den Knöcheln herauf und wärmte ihre mit schwarzledernen
Stiefeletten bekleideten Füße an der Glut, in der die Hammelkeule
am Spieß gedreht wurde. Das Feuer beleuchtete ihre ganze Gestalt
und warf grelle Lichter auf den Stoff ihres Kleides, auf ihre
poröse weiße Haut und in die Wimpern ihrer Augen, die sich von Zeit
zu Zeit schlössen. Der Luftzug strich durch die halboffene Tür und
rötete die Flammen. Hochrote Reflexe umflossen die Frau am Herd. Am
andern Ende desselben stand ein junger Mann mit blondem Haar, der
sie stumm betrachtete.
Es war Leo Düpuis, der Adjunkt des Notars Guillaumin, einer der
Stammgäste im Goldnen Löwen. Er langweilte sich gehörig in
Yonville, und deshalb kam er zu Tisch öfters absichtlich zu spät,
in der Hoffnung, mit irgendeinem Reisenden den Abend im Wirtshause
verplaudern zu können. Wenn er aber in der Kanzlei gerade gar
nichts zu tun hatte, mußte er aus Langeweile wohl oder übel
pünktlich erscheinen und von der Suppe bis zum Käse Binets
Gesellschaft erdulden. Frau Franz hatte ihm den Vorschlag gemacht,
heute mit den neuen Gästen zusammen zu essen; er war mit Vergnügen darauf eingegangen. Zur
Feier des Tages war im Saal für vier Personen gedeckt worden.
Man versammelte sich daselbst. Homais bat um Erlaubnis, sein
Käppchen aufbehalten zu dürfen. Er erkälte sich leicht.
Frau Bovary saß ihm beim Essen zur Rechten.
»Gnädige Frau sind zweifellos ein wenig müde?« begann er. »In
unsrer alten Postkutsche wird man schauderhaft durchgerüttelt.«
»Freilich!« gab Emma zur Antwort. »Aber dieses Drüber und
Drunter macht mir gerade Spaß. Ich liebe die Abwechselung.«
»Ach ja, immer auf demselben Platze hocken ist gräßlich!«
seufzte der Adjunkt.
»Wenn Sie wie ich den ganzen Tag auf dem Gaule sitzen müßten …«,
warf Karl ein.
Leo wandte sich an Emma:
»Grade das denke ich mir köstlich. Natürlich muß man ein guter
Reiter sein.«
»Ein praktizierender Arzt hats übrigens in hiesiger Gegend
ziemlich bequem«, meinte der Apotheker. »Die Wege sind nämlich
soweit imstand, daß man ein Kabriolett verwenden kann. Im
allgemeinen lohnt sich die Praxis auch. Die Bauern sind wohlhabend.
Nach den statistischen Feststellungen haben wir, abgesehen von den
gewöhnlichen Diarrhöen, Rachenkatarrhen und Magenbeschwerden, hin
und wieder während der Erntezeit wohl Fälle von
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