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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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Hals eine Feder
herausragte. Auf dem verstaubten Kaminsims lagen ein
Wetterkalender, Feuersteine, Kerzenstümpfe und ein paar Fetzen
Zündschwamm. Ein weiteres Schmuckstück dieses Gemachs war eine
»trompetende Fama«, offenbar das Reklameplakat einer Parfümfabrik,
das mit sechs Schuhzwecken an die Wand genagelt war.
    Emmas Töchterchen schlief in einer Wiege aus Weidengeflecht. Sie
nahm es mit der Decke, in die es gewickelt war, empor und begann es
im Arme hin und her zu wiegen, wobei sie leise sang.
    Leo ging im Zimmer auf und ab. Die schöne Frau in ihrem hellen
Sommerkleide in dieser elenden Umgebung zu sehen, kam ihm seltsam
vor. Sie ward plötzlich rot. Er wandte sich weg, weil er dachte,
sein Blick sei vielleicht zudringlich gewesen. Sie legte das Kind
wieder in die Wiege. Es hatte sich erbrochen, und die Mutter am Halskragen beschmutzt. Die Amme eilte
herbei, um die Flecke abzuwischen. Sie beteuerte, man sähe nichts
mehr davon.
    »Mir kommt sie noch ganz anders!« meinte die Frau. »Ich habe
weiter nichts zu tun, als sie immer wieder zu säubern. Wenn Sie
doch so gut sein wollten und den Kaufmann Calmus beauftragten, daß
ich mir bei ihm ein bißchen Seife holen kann, wenn ich welche
brauche. Das wäre auch für Sie das bequemste. Ich brauche Sie dann
nicht immer zu stören.«
    »Meinetwegen!« sagte Emma. »Auf Wiedersehn, Frau Rollet!«
    Beim Hinausgehen schüttelte sie sich.
    Die Frau begleitete die beiden bis zum Ende des Hofes, wobei sie
in einem fort davon sprach, wie beschwerlich es sei, nachts so
häufig aufstehen zu müssen. »Manchmal bin ich früh so zerschlagen,
daß ich im Sitzen einschlafe. Drum sollten Sie mir ein Pfündchen
gemahlenen Kaffee zukommen lassen. Wenn ich ihn früh mit Milch
trinke, reiche ich damit vier Wochen.«
    Nachdem Frau Bovary die Dankesbeteuerungen der Frau über sich
hatte ergehen lassen, verabschiedete sie sich. Aber kaum war sie
mit ihrem Begleiter ein Stück auf dem Fußwege gegangen, als sie das
Klappern von Holzpantoffeln hinter sich vernahm. Sie drehte sich
um. Es war die Amme.
    »Was wollen Sie noch?«
    Die Frau zog Emma bis hinter eine Ulme beiseite und fing an, von
ihrem Manne zu erzählen. »Bei seinem Handwerke und seinen sechs
Franken Pension im Jahre….«
    »Machen Sie rasch!« unterbrach Emma ihren Wortschwall.
    »Ach, liebste Frau Doktor,« fuhr die Frau fort, indem sie
zwischen jedes ihrer Worte einen Seufzer schob, »ich habe Angst, er
wird böse, wenn er sieht, daß ich allein für mich Kaffee trinke.
Sie wissen, wie die Männer sind …«
    »Sie sollen ja welchen haben, ich will Ihnen
ja welchen schicken! Sie langweilen mich.«
    »Ach, meine liebe, gute Frau Doktor, 's ist ja bloß für die
schrecklichen Brustschmerzen, die er immer von wegen der alten
Wunde kriegt. Der Apfelwein bekommt ihm gar nicht gut….«
    »Na, was wollen Sie denn noch?« fragte Emma.
    »Wenn es also,« fuhr die Frau fort, indem sie einen Knicks
machte, »wenn es also nicht zuviel verlangt ist …« Sie machte
abermals einen tiefen Knicks. »Wenn Sie so gut sein wollen …«
    Ihre Augen bettelten gottsjämmerlich. Endlich bekam sie es
heraus:
    »Ein Bullchen Branntwein! Ich könnte damit auch die Füße Ihrer
Kleinen ein bißchen einreiben. Sie sind so riesig zart….«
    Nachdem sich Emma endlich von der Frau losgemacht hatte, nahm
sie Leos Arm. Eine Zeitlang schritten sie flott vorwärts. Dann
wurde sie langsamer, und Emmas Blick, der bisher geradeaus gegangen
war, glitt über die Schulter ihres Begleiters. Er hatte einen
schwarzen Samtkragen auf seinem Rocke, auf den sein
kastanienbraunes wohlgepflegtes Haar schlicht herabwallte. Die
Nägel an seiner Hand fielen ihr auf; sie waren länger, als man sie
in Yonville sonst trug. Ihre Pflege war eine der
Hauptbeschäftigungen des Adjunkten; er besaß dazu besondre
Instrumente, die er in seinem Schreibtische aufbewahrte.
    Am Ufer des Baches gingen sie nach dem Städtchen zurück. Jetzt
in der heißen Jahreszeit war der Wasserstand so niedrig, daß man
drüben die Gartenmauern bis auf ihre Grundlage sehen konnte. Von
den Gartenpforten führten kleine Treppen in das Wasser. Es floß
lautlos und rasch dahin, Kühle verbreitend. Hohe, dünne Gräser
neigten sich zur klaren Flut und ließen sich von der Strömung
treiben; das sah aus wie ausgelöstes, langes, grünes Haar. Hin und
wieder liefen oder schliefen Insekten auf den Spitzen der Binsen und auf den Blättern der
Wasserrosen. In den kleinen blauen Wellen, im Zerfließen

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