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Madame Bovary

Madame Bovary

Titel: Madame Bovary Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustave Flaubert
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starker
Schnapstrinker schickte er das Dienstmädchen häufig in
den Goldnen Löwen, um seine Feldflasche
füllen zu lassen, was selbstverständlich auf Rechnung seines Sohnes
erfolgte. Um seine Halstücher zu parfümieren, verbrauchte er den
gesamten Vorrat an Kölnischem Wasser, den seine Schwiegertochter
besaß.
    Ihr selbst war seine Anwesenheit keineswegs unangenehm. Er war
in der Welt herumgekommen. Er erzählte von Berlin, Wien, Straßburg,
von seiner Soldatenzeit, seinen Liebschaften, den Festlichkeiten,
die er dereinst mitgemacht hatte. Dann war er wieder ganz der alte
Schwerenöter, und zuweilen, im Garten oder auf der Treppe, faßte er
Emma um die Taille und rief aus: »Karl, nimm dich in acht!«
    Die alte Frau Bovary sah dergleichen voller Angst um das
Eheglück ihres Sohnes. Sie fürchtete, ihr Mann könne am Ende einen
unsittlichen Einfluß auf die Gedankenwelt der jungen Frau ausüben,
und so betrieb sie die Abreise. Vielleicht war ihre Besorgnis noch
schlimmer. Dem alten Herrn war alles zuzutrauen.
    Emma hatte das Kind zu der Frau eines Tischlers namens Rollet in
die Pflege gegeben. Eines Tages empfand sie plötzlich Sehnsucht,
das kleine Mädchen zu sehen. Unverzüglich machte sie sich auf den
Weg zu diesen Leuten, deren Häuschen ganz am Ende des Ortes,
zwischen der Landstraße und den Wiesen, in der Tiefe lag.
    Es war Mittag. Die Fensterläden der Häuser waren alle
geschlossen. Die sengende Sonne brütete über den Schieferdächern,
deren Giebellinien richtige Funken sprühten. Ein schwüler Wind
wehte. Emma fiel das Gehen schwer. Das spitzige Pflaster tat ihren
Füßen weh. Sie ward sich unschlüssig, ob sie umkehren oder irgendwo
eintreten und sich ausruhen sollte.
    In diesem Augenblick trat Leo aus dem nächsten Hause heraus,
eine Aktenmappe unter dem Arme. Er kam auf sie zu,
begrüßte sie und stellte sich mit ihr in
den Schatten der Leinwandmarkise vor dem Lheureurschen
Modewarenladen.
    Frau Bovary erzählte ihm, daß sie nach ihrem Kinde sehen wollte,
aber müde zu werden beginne.
    »Wenn …«, fing Leo an, wagte aber nicht weiterzusprechen.
    »Haben Sie etwas vor?« fragte Emma. Auf die Verneinung des
Adjunkten hin bat sie ihn, sie zu begleiten. (Bereits am Abend
desselben Tages war dies stadtbekannt, und Frau Túvache, die
Bürgermeistersgattin, erklärte in Gegenwart ihres Dienstmädchens,
Frau Bovary habe sich kompromittiert.)
    Um zu der Amme zu gelangen, mußten die beiden am Ende der
Hauptstraße links abgehen und einen kleinen Fußweg einschlagen, der
zwischen einzelnen kleinen Häusern und Gehöften in der Richtung auf
den Gemeindefriedhof hinlief. Die Weiden, die den Pfad umsäumten,
blühten, und es blühten die Veroniken, die wilden Rosen, die
Glockenblumen und die Brombeersträucher. Durch Lücken in den Hecken
erblickte man hie und da auf den Misthaufen der kleinen Gehöfte ein
Schwein oder eine angebundne Kuh, die ihre Hörner an den Stämmen
der Bäume wetzte.
    Seite an Seite wandelten sie gemächlich weiter. Emma stützte
sich auf Leos Arm, und er verkürzte seine Schritte nach den ihren.
Vor ihnen her tanzte ein Mückenschwarm und erfüllte die warme Luft
mit ganz leisem Summen.
    Emma erkannte das Haus an einem alten Nußbaum wieder, der es
umschattete. Es war niedrig und hatte braune Ziegel auf dem Dache.
Aus der Luke des Oberbodens hing ein Kranz von Zwiebeln. Eine
Dornenhecke umfriedigte ein viereckiges Gärtlein mit Salat,
Lavendel und blühenden Schoten, die an Stangen gezogen waren. An
der Hecke waren Reisigbunde aufgeschichtet. Ein trübes Wässerchen
rann sich verzettelnd durch das Gras; allerhand kaum noch verwendbare Lumpen, ein
gestrickter Strumpf und eine rote baumwollene Jacke lagen auf dem
Rasen umher, und über der Hecke flatterte ein großes Stück
Leinwand.
    Beim Knarren der Gartentüre erschien die Tischlersfrau, ein Kind
an der Brust, ein andres an der Hand, ein armseliges, schwächlich
aussehendes, skrofulöses Jüngelchen. Es war das Kind eines
Mützenmachers in Rouen, das die von ihrem Geschäft zu sehr in
Anspruch genommenen Eltern auf das Land gegeben hatten.
    »Kommen Sie nur herein!« sagte die Frau. »Ihre Kleine schläft
drinnen.«
    In der einzigen Stube im Erdgeschoß stand an der hinteren Wand
ein großes Bett ohne Vorhänge. Die Seite am Fenster, in dem eine
der Scheiben mit blauem Papier verklebt war, nahm ein Backtrog ein.
In der Ecke hinter der Türe standen unter der Gosse Stiefel mit
blanken Nägeln, daneben eine Flasche Öl, aus deren

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