Madame Bovary
stillen Freuden dieser
Vorbereitungen nicht kennen, die andre Mütter so zärtlich stimmen,
und vielleicht war dies der Grund, daß ihre Mutterliebe von Anfang
an gewisser Elemente entbehrte. Weil aber Karl bei allen Mahlzeiten
immer wieder von dem Kinde sprach, begann auch Emma mehr daran zu
denken.
Sie wünschte sich einen Sohn. Braun sollte er sein, und stark
sollte er werden, und Georg müßte er heißen! Der Gedanke, einem
männlichen Wesen das Leben zu schenken, kam ihr vor wie eine
Entschädigung für alles das, was sich in ihrem eigenen Dasein nicht
erfüllt hatte. Ein Mann ist doch wenigstens sein freier Herr. Ihm
stehen alle Leidenschaften und alle Lande offen, er darf gegen alle
Hindernisse anrennen und sich auch die allerfernsten
Glückseligkeiten erobern. Ein Weib liegt an tausend Ketten.
Tatenlos und doch genußfreudig, steht sie zwischen den Verführungen
ihrer Sinnlichkeit und dem Zwang der Konvenienz. Wie den flatternden Schleier ihres Hutes ein festes
Band hält, so gibt es für die Frau immer ein Verlangen, mit dem sie
hinwegfliegen möchte, und immer irgendwelche herkömmliche Moral,
die sie nicht losläßt.
An einem Sonntag kam das Kind zur Welt, früh gegen sechs Uhr,
als die Sonne aufging.
»Es ist ein Mädchen!« verkündete Karl.
Emma fiel im Bett zurück und ward ohnmächtig. Schon stellten
sich auch Frau Homais und die Löwenwirtin ein, um die Wöchnerin zu
umarmen. Der Apotheker rief ihr diskret ein paar vorläufige
Glückwünsche durch die Türspalte zu. Er wollte die neue
Erdenbürgerin besichtigen und fand sie wohlgeraten.
Während der Genesung grübelte Emma nach, welchen Namen das Kind
bekommen sollte. Zunächst dachte sie an einen italienisch
klingenden Namen: an Amanda, Rosa, Joconda, Beatrice. Sehr gefielen
ihr Ginevra oder Leocadia, noch mehr Isolde. Karl äußerte den
Wunsch, die Kleine solle nach der Mutter getauft werden, aber davon
wollte Emma nichts wissen. Man nahm alle Kalendernamen durch und
bat jeden Besucher um einen Vorschlag.
»Herr Leo,« berichtete der Apotheker, »mit dem ich neulich
darüber gesprochen habe, wundert sich darüber, daß Sie nicht den
Namen Magdalena wählen. Der sei jetzt sehr in Mode.« Aber gegen die
Patenschaft einer solchen Sünderin sträubte sich die alte Frau
Bovary gewaltig. Homais für seine Person hegte eine Vorliebe für
Namen, die an große Männer, berühmte Taten und hohe Werke
erinnerten. Nach dieser Theorie habe er seine vier eigenen
Sprößlinge getauft: Napoleon (der Ruhm!), Franklin (die Freiheit!),
Irma (ein Zugeständnis an die Romantik!) und Athalia (zu Ehren des
Meisterstücks des französischen Dramas!). Seine philosophische
Überzeugung, sagte er, stehe seiner Bewunderung der Kunst nicht im Wege. Der Denker in
ihm ersticke durchaus nicht den Gefühlsmenschen. Er verstünde sich
darauf, das eine vom andern zu scheiden und sich vor fanatischer
Einseitigkeit zu bewahren.
Zu guter Letzt fiel Emma ein, daß sie im Schloß Vaubyessard
gehört hatte, wie eine junge Dame von der Marquise mit
»Berta-Luise« angeredet worden war. Von diesem Augenblick an stand
die Namenswahl fest. Da Vater Rouault zu kommen verhindert war,
wurde Homais gebeten, Gevatter zu stehen. Er stiftete als
Patengeschenk allerlei Gegenstände aus seinem Geschäft, als wie:
sechs Schachteln Brusttee, eine Dose Kraftmehl, drei Büchsen
Marmelade und sechs Päckchen Malzbonbons.
Am Taufabend gab es ein Festessen, zu dem auch der Pfarrer
erschien. Man geriet in Stimmung. Beim Likör gab der Apotheker ein
patriotisches Lied zum besten, worauf Leo Dúpuis eine Barkarole
vortrug und die alte Frau Bovary (Patin des Kindes) eine Romanze
aus der Napoleonischen Zeit sang. Der alte Herr Bovary bestand
darauf, daß das Kind heruntergebracht wurde, und taufte die Kleine
»Berta«, indem er ihr ein Glas Sekt von oben über den Kopf goß. Den
Abbé Bournisien ärgerte diese Profanation einer kirchlichen
Handlung, und als der alte Bovary ihm gar noch ein spöttisches
Zitat vorhielt, wollte der Geistliche fortgehen. Aber die Damen
baten ihn inständig zu bleiben, und auch der Apotheker legte sich
ins Mittel. So gelang es, den Priester wieder zu beruhigen.
Friedlich langte er von neuem nach seiner halbgeleerten
Kaffeetasse.
Bovary senior blieb noch volle vier Wochen in Yonville und
verblüffte die Yonviller durch das prächtige Stabsarztskäppi mit
Silbertressen, das er vormittags trug, wenn er seine Pfeife auf dem
Marktplatze schmauchte. Als gewohnheitsmäßiger
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