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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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ohne Anstandsdamen an diesen abendlichen Salons teilnehmen durften. In den meisten Pariser Salons und ganz bestimmt bei Scarron wurde sehr offen gesprochen, und politische Intrigen und Liebeshändel waren an der Tagesordnung. »Das Haus von Monsieur Scarron
143 war voller junger Leute, die nur kamen, weil sie dort tun konnten, was sie wollten«, notierte eine Dame mißbilligend. Gewiß wohnte Cabart de Villermont in dem Haus, und auch Françoises alter Bewunderer aus Niort, der Chevalier de Méré, war dort regelmäßig zu Gast. Doch die entscheidende Überlegung war vermutlich der Wunsch von Madame de Neuillant, Françoise so schnell wie möglich unter die Haube
zu bringen und vom Hals zu haben. Möglicherweise hielt sie auch Cabart de Villermont für eine denkbare Partie; er war ein vielversprechender Bursche und nur sieben Jahre älter als Françoise, und er war ausgesprochen wohlgelitten bei Jeanne d'Aubigné, die ihre fruchtlosen Prozesse endlich aufgegeben hatte und jetzt friedlich in dem Dorf Archiac bei Niort lebte.
    Ihren ersten Auftritt in dem gelben Salon in der Rue d'Enfer hatte Françoise, was auch immer das Motiv war, kurz nach Neujahr 1651. Es war trotz ihres schönen Gesichts und der ihr angeborenen Anmut der Bewegung unter einem ganz grundlegenden Aspekt ein tolpatschiger Auftritt, weil Madame de Neuillant sich nicht darum gekümmert hatte, neue Kleider für sie anfertigen zu lassen, und so trat sie durch die Tür in einem ihrer alten Kleider, möglicherweise ihrem einzigen anständigen Kleid, das aber auf jeden Fall viel zu kurz für sie war.
    Der Anlaß dieser ersten Begegnung zwischen Françoise und Paul Scarron ist nicht bekannt. Vielleicht war es ein Salonabend mit vielen klugen und eleganten Leuten, auf dem ein fünfzehnjähriges Mädchen aus der Provinz sich selbst in einem Kleid von angemessener Länge eingeschüchtert fühlen mußte. Vielleicht war es aber auch eine ruhige Morgenvisite, bei der Françoise der einzige Neuling war, und sie trat selbstbewußt mit ihren schlichten Landschuhen ins Zimmer. Was auch immer der Anlaß war – Françoise war von dem ersten, unverhofften Anblick Scarrons überfordert. Sie brach, sei es vor Schreck, sei es aus Mitleid, in Tränen aus. 
    »Mein Körper ist
144 , zugegeben, höchst irregulär«, räumte Scarron ein. »Schwangere dürfen mich nicht anschauen.« Der gefeierte Dichter, saß mitten im Zimmer in einem großen Rollstuhl, an dem sein verbogener Körper festgeschnallt war, und auf einem seitlich angebrachten Holztablett ruhte eine Hand, die einer Klaue glich. Einem Band seiner Ge
dichte stellte er ein Selbstporträt voran, das den Eindruck, den er gemacht haben muß, veranschaulicht und zugleich seinen berüchtigten sarkastischen Witz offenbart:
    Dies ist für Sie
145 , werter Leser, da Sie mich nie gesehen haben … Ich war einmal ein wohlgestalteter Mann, wenngleich ich zugebe, daß ich nie sehr groß war. Ich bin jedenfalls um mehr als einen Fuß geschrumpft. Mein Kopf ist etwas zu groß für meinen Leib. Mein Gesicht ist recht füllig, verglichen mit meinem dürren Körper, und ich habe genügend Haare, so daß ich keine Perücke zu tragen brauche … Ich kann noch ziemlich gut sehen, wenngleich meine Augen ein bißchen hervorstehen; sie sind blau, und eines ist dunkler als das andere … Meine Nase ist im allgemeinen ziemlich verstopft. Meine Zähne waren einmal hübsche perlweiße Vierecke, aber jetzt haben sie die Farbe von Holz, und bald werden sie die Farbe von Schiefer haben; auf der linken Seite habe ich anderthalb, auf der rechten zweieinhalb verloren, und zwischen einem oder zwei weiteren klafft eine ziemliche Lücke, sie sind ein bißchen angeknabbert … Da meine Beine einen spitzen Winkel mit meinem Leib bilden und mein Kopf ständig zu meinem Magen herabgebeugt ist, ähnele ich einem Z. Meine Arme sind ebenso verkürzt wie meine Beine und meine Finger ebenso wie meine Arme. Ich bin also eine Abkürzung des menschlichen Elends.
    Françoise fand ihre Fassung so weit wieder, daß sie vortreten konnte, um ihn vorgestellt zu werden. »Um ihm ins Gesicht zu schauen
146 , mußte sie sich so weit vorbeugen, daß sie fast auf den Knien war«, berichtete ein Zeuge ihrer ersten Begegnung. Was die beiden gesagt haben, ist nicht überliefert – vermutlich hat er ein paar amüsierte Höflichkeiten von sich gegeben, auf die sie ruhig geantwortet hat. Möglich, daß der Nachname des Mädchens Scarron an eine unangenehme Geschichte erinnert

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