Madame de Maintenon
Konkurrenz, und es würde wenigstens kein uneheliches Kind geben, das ihn noch mehr gedemütigt und gekränkt hätte.
Françoises Beziehungen zu anderen Frauen waren, ungeachtet gelegentlicher Sticheleien von seiten ihres Mannes, sicher harmlos. Sie genoß die Gesellschaft von Frauen, und inzwischen konnte sie einige der schönsten und vornehmsten Damen der Stadt zu ihren Freundinnen zählen. Selbst die außergewöhnliche Königin Christina, die nach dem Verzicht auf den schwedischen Thron im Herbst 1657 Paris besuchte, wünschte die bezaubernde junge Frau von Paul Scarron kennenzulernen. Scarron selbst, der die Königin im voraus mit galanten Erklärungen unvergänglicher Ergebenheit verwöhnt hatte, versprach sich von dem Treffen einen ansehnlichen finanziellen Vorteil, aber sein einziger Lohn bestand am Ende in einem geistreichen zweideutigen Kompliment: »Ich hätte mir eigentlich
231 denken können, daß es einer Königin von Schweden bedarf, um zu erreichen, daß ein Mann einer Frau wie dieser untreu wird«, soll Christina gesagt haben.
So stolz Françoise auf ihren neuen Bekanntenkreis war, so bedrückend, ja fast empörend empfand sie es, daß ihre bescheidenen Mittel es ihr verwehrten, ungehindert mit ihnen zu verkehren. »Meine Frau ist ganz unglücklich
232 «, schrieb
Scarron an Onkel Benjamin in Mursay, »weil sie ohne Geld und ohne Kutsche nicht hingehen kann, wohin sie möchte, als ihr das große Glück winkte, eine von den Fräulein Mancini zu begleiten …«
Die fünf Mancini-Schwestern, alle von einer beinahe anstößigen Munterkeit, waren die Nichten von Kardinal Mazarin. Marie Mancini, die erste Liebe des jungen Königs, hatte Françoise gebeten, sie auf ihrer Fahrt in den Westen Frankreichs zu begleiten, wohin sie mehr oder weniger verbannt worden war, nachdem man die Verheiratung Ludwigs mit der spanischen Infantin vereinbart hatte. Françoise mußte diese Ehre zwar ausschlagen, konnte sich aber mit der noch glanzvolleren Marie-Madeleine Fouquet trösten, der schönen jungen Frau des königlichen Oberintendanten der Finanzen, die selbst von hoher Geburt war. Madame Fouquet hatte seit ihrem ersten gemeinsamen Ausflug in den Park in ihrer eleganten Kutsche eine große Anhänglichkeit an Françoise entwickelt. »Ich finde meine Frau
233 dermaßen fasziniert von den Reizen von Madame, daß ich fürchte, zwischen den beiden könnte sich etwas Unreines abspielen«, schrieb Scarron an den Marschall d'Albret, obwohl er von ihrer Harmlosigkeit überzeugt war. Und an anderer Stelle ironisch: »Ich fürchte, die débauchée
234 Madame de Montchevreuil wird sie betrunken und sich gefügig machen, bevor sie sie mir zurückschickt« – Madame de Montchevreuil war für ihr geradezu ermüdend gutes Benehmen bekannt.
Tallemant des Réaux berichtet, daß die Tochter eines Hoffloristen, »allgemein bekannt für ihre Liebe zu Frauen
235 «, auf Besuch bei Françoise, einen Strauß in der einen und eine große Geldbörse in der anderen Hand, plötzlich unpäßlich wurde, »mit einem Hauch von Kolik«. »Seit Ewigkeiten hatte sie nach einem Vorwand gesucht, um die Nacht mit ihr zu verbringen, und am Ende legte sie sich einfach neben ihr ins Bett und küßte sie. Madame Scarron sprang auf und jagte sie hinaus.« Françoise wünschte nicht, als Lesbierin
zu gelten, und noch weniger, für eine Prostituierte gehalten zu werden.
Scarron selbst war unterdessen immer weniger imstande, seine Frau auf irgendeine Weise zu hofieren. Jahrelang nahezu gelähmt, hatte er allzusehr den Pasteten und dem Käse und den Frangipani-Torten gefrönt – »ich war immer schon ein bißchen gierig
236 « –, und so war er dermaßen fett geworden, daß ihm sogar das Atmen schwerfiel. Seine Krankheit hatte sich so verschlimmert, daß er seit Monaten den größten Teil des Tages im Bett verbrachte, in einem erschöpften Halbschlaf. Der Verfall hatte auch seinen schönen Salon erfaßt, und Françoise nutzte jede Gelegenheit, um zu entwischen und andere Geselligkeiten im Marais zu besuchen, oft in Ninons Haus oder in der größeren Residenz von Fouquet oder bei der Herzogin von Richelieu.
Im Spätsommer 1660 ging es ersichtlich mit Scarron zu Ende. »Der Doktor sagt, dieser Idiot, am nächsten Freitag sei ich tot«, schrieb er in einem seltenen lichten Augenblick. »Deshalb schreibe ich mein Testament.« Und das tat er, in einem letzten Aufschwung des Burlesken:
Meiner Frau gönn' ich
237 einen neuen Gespons
Aus Furcht, ein Lotterbett
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