Madame de Maintenon
Zurückhaltung auferlegten.
Françoise hatte das Haus am Morgen des 7. Oktober in Trauerkleidung verlassen, nur Stunden nach dem Tode Scarrons und vor der Ankunft der Gerichtsvollzieher. Sie nahm vermutlich einige Kleider mit und was sie sonst noch an kleinen Wertgegenständen besaß, insbesondere eine Zeichnung von ihr selbst, die Pierre Mignard
243 kürzlich angefertigt hatte. Mehrere Freunde hatten ihr angeboten, bei ihnen zu wohnen, aber sie war lieber auf ein Angebot von Scarrons Cousine Catherine, der Marschallin d'Aumont, eingegangen, in ihre möblierten Zimmer zu ziehen, die diese im Kloster Petite-Charité der Hospitaliterinnen, unweit der Place Royale im Herzen der Stadt, dauerhaft unterhielt. Diese Räume, in die sich Madame d'Aumont zu religiösen Exerzitien zurückzog, ähnelten den möblierten Zimmern, die Françoise in den Wochen vor ihrer Hochzeit im Ursulinenkloster bewohnt hatte. Dieses Arrangement verhalf ihr zu einer sicheren und respektablen Unterkunft, die sie wie ihr Eigentum behandeln konnte; sie konnte kommen und gehen, wie es ihr gefiel, und jeden, den sie dort empfangen wollte, einladen, und diese Freiheiten nutzte sie offenbar weidlich, indem sie »eine ungeheure Zahl
244 von Leuten einließ, was den Nonnen gar nicht gefiel«. Auf jeden Fall war es nur als eine vorübergehende Bleibe gedacht, möglicherweise bis November, denn in diesem Monat würde sie mit fünfundzwanzig die Volljährigkeit erreichen und sowohl de jure als auch de facto für sich selbst verantwortlich sein, wobei allerdings, da ihr Vater verstorben war, nicht klar ist, wer sie in den Monaten bis dahin ansonsten rechtlich hätte vertreten können.
Françoise hat um Scarron getrauert, aber nicht tief und nicht lange. Sie sollte immer voll Mitgefühl von ihm spre
chen, aber schließlich war ihre Beziehung eher eine Freundschaft als eine Ehe gewesen, und sie konnte ihm kaum ein längeres Leben mit einem immer schlimmeren Leiden gewünscht haben. Sein Tod hatte sie von einer großen Sorge – der ermüdenden täglichen Pflege des Invaliden – befreit, aber er hatte sie auch in einem Schwebezustand zurückgelassen, was ihre eigene Situation betraf. Erneut war sie ohne ein wirkliches Heim, und sie hatte praktisch kein Geld. Vernünftigerweise engagierte sie einen Rechtsanwalt, der ihr »Witwengedinge« vor den Gläubigern Scarrons schützen sollte, sofern dafür überhaupt ein Betrag vorhanden war. Am 23. Oktober 1660 schrieb sie an Tante Louise in Mursay:
Ich war in den letzten Tagen
245 so benommen und Monsieur Scarrons Tod bereitete mir solchen Kummer und solche Sorgen, daß ich unfähig war zu schreiben. Auch jetzt habe ich keine Zeit, aber ich wollte Sie bitten, mir eine Abschrift meines Taufscheins zu schicken, den ich dringend brauche. Bitte schicken Sie ihn mir, sobald es Ihnen möglich ist …
Tante Louise muß der Bitte umgehend entsprochen haben, denn schon im November konnte Françoise in einem Brief an Onkel Benjamin von einem bescheidenen finanziellen Erfolg berichten:
Monsieur Scarron hinterließ
246 10 000 Francs und 22 000 Francs Schulden. 23 000 stehen mir laut meinem Ehevertrag zu, aber er war so schlecht abgefaßt, daß ich, obwohl ich der erste Gläubiger des Nachlasses bin …, dennoch einen Teil der Schulden zu tragen habe … nach all unseren Vorträgen bei Gericht sieht es jedenfalls so aus, daß ich vier- bis fünftausend Francs bekommen werde.
Das ist alles, was der arme Mann hinterlassen hat. Aus alldem werden Sie ersehen, daß ich nicht dazu bestimmt bin, glücklich zu sein. Ich nehme aber an, daß wir dies als eine Prüfung betrachten müssen, die uns der Herr geschickt hat, und uns damit abfinden müssen …
Mit dem Gedanken, erneut auf Almosen angewiesen zu sein, konnte Françoise sich jedoch nicht abfinden. Die Güte von Madame d'Aumont hatte ihr ein Dach über dem Kopf verschafft, und dafür war sie sicherlich dankbar. Aber die Güte von Madame d'Aumont geriet bald außer Kontrolle; sie schickte Essen ins Kloster, dann Wein und Kerzen, dann Kleider; allerdings versäumte sie nicht, alle Welt von ihrer Wohltätigkeit in Kenntnis zu setzen. Als sie schließlich eine Ladung Feuerholz schickte, stürmte Françoise auf den Klosterhof hinaus und ließ die Fuhre auf der Stelle zurückgehen. Und als die Rechnung für die chambres de retraite fällig wurde, bestand sie darauf, diese selbst zu begleichen, auch wenn sie sich das Geld möglicherweise anderswo borgen mußte, und anschließend zog
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