Madame de Maintenon
aber sein Pferd war so übermütig, er war nur noch zwanzig Fuß von mir entfernt, als ich ihn erkannte. Er machte einen ausgezeichneten Eindruck, nicht so prächtig gekleidet wie einige der anderen, aber bestimmt
einer der schneidigsten. Er ritt sehr gut … Wir riefen einander etwas zu, während er vorbeiritt.«
Madame de Villarceaux erfuhr vermutlich gern, daß ihr Mann so gut ausgesehen hatte und so vorzüglich geritten war, doch dürfte sie nicht ganz so erfreut gewesen sein über den Eifer, mit dem er und Françoise sich ohne Zweifel etwas zugerufen hatten. Er war einer der leidenschaftlichsten Bewunderer von Françoise gewesen, seit er vor einigen Jahren an Scarron herangetreten war, um eine Bekanntschaft aufzubauen, und seine Bewunderung war nicht unerwidert geblieben. Louis de Mornay, Marquis de Villarceaux, Mitglied des königlichen Hofstaates, war ein anerkannter »Favorit« der Kurtisane Ninon de Lenclos, und er war in der Tat der Vater ihres kleinen Sohnes, aber das schloß in seinen wie in ihren Augen eine intime Beziehung auch mit Françoise nicht zwangsläufig aus. Tallemant des Réaux hielt fest, daß »Scarron alle auslachte
225 , die ihm den zarten Wink gaben, seine Frau sei die Geliebte von Villarceaux geworden«, doch hatte Scarron Kenntnis davon, daß der Marquis seiner Frau billets doux geschrieben hatte, und er nahm die beträchtliche Mühe auf sich, ihn in Ninons Haus aufzusuchen, um die Sache unter vier Augen mit ihm zu erörtern. Was Madame de Villarceaux betraf, die, einige Jahre älter als ihr Mann, seit langem kränkelte, so weilte sie häufig genug in Paris, und so hatte sie sich – möglicherweise unklug – mit Françoise angefreundet, doch im allgemeinen wahrte sie eine taktvolle Distanz auf ihrem Schloß, getröstet von ihrem sagenhaften persönlichen Reichtum.
Villarceaux war jedenfalls durchaus nicht der einzige Bewunderer von Françoise. Der Chevalier de Méré war immer noch dabei, und etliche selbsternannte Dichter stimmten rhapsodische Gesänge auf sie an, derweil andere sich mit prosaischeren Seufzern begnügten. Zu ihnen, den »stattlichsten Männern am Hofe und den mächtigsten Männern im Finanzwesen, die auf allen Fronten attackieren«, wie der Che
valier bemerkt hatte, gehörten der junge Comte du Lude, der es sich weder mit Françoise noch mit der vierunddreißigjährigen Madame de Sévigné verderben wollte; der Marquis d'Hequetot, Sproß der Dynastie Harcourt, einer der ältesten Europas; der Duc d'Elbeuf, der den Ruf eines Frondeurs und eine frisch angetraute Ehefrau mit sich herumschleppte; der Marquis de Marsilly auf seinen Krücken, dem Musketenschüsse im Gefecht die Beine gebrochen hatten; der ansehnliche Alexandre d'Elbène, der sich auf ein ererbtes Vermögen von gewaltigen Ausmaßen stützen konnte; und Scarrons Arzt und Alchemist La Mesnardière, der sich mehr oder weniger mit seinem dreifachen Scheitern abgefunden hatte, in der Medizin, der Chemie und der Liebe. Der königliche Rat de l'Orme hatte angeblich 30 000 Écus (einige meinten 300 000) für die »höchste Gunst« der Dame geboten, aber dieser Möchtegern-»Zahler« hatte sich eine gehörige Abfuhr geholt.
Françoise führte sie alle an einer straffen Leine, eine Methode, die ihr angeblich Ninon, »Notre-Dame des Amours«, beigebracht haben soll; doch ein Mann mit einem passenden Siegernamen stand in ihrer Gunst sicherlich höher als alle anderen: César-Phébus, Graf von Miossens, bekannt als Marschall d'Albret seit seiner Sternstunde in den letzten Tagen der Fronde, als es ihm zugefallen war, den rebellischen Prinzen von Condé festzunehmen. Jetzt Mitte Vierzig, war d'Albret ein homme galant von vorbildlichem Charakter: Er hatte schon drei Männer, darunter sein bester Freund, bei Duellen um Herzensangelegenheiten aufgespießt. Villarceaux sollte kurz darauf feststellen, daß Ninon sich in seine Arme geflüchtet hatte, und es war wohl der Gedanke an die Duelle, der ihn bewog, sie dort fortan zu lassen. Ob d'Albret auch Françoises Liebhaber war, wie man munkelte, ist ungewiß. »Ich glaube, sie hat sich nicht getraut, so weit zu gehen
226 «, schrieb Tallemant des Réaux über diese Zeit. Aber in Versuchung geriet die Dame sicherlich: »Schönheit kann
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ein Mißgeschick sein«, seufzte sie später. »Man kann leicht seinen Ruf verlieren und vielleicht sogar seine Seele.«
Es gab noch andere Versuchungen, denen sie vielleicht nicht immer widerstanden hat. Ungeachtet spöttischer
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