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Madame de Maintenon

Madame de Maintenon

Titel: Madame de Maintenon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Buckley
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Bemerkungen von Scarron über ihre Zuneigung zu Ninon, mit der sie nach damaliger Sitte des öfteren ein Bett teilte, hatte Françoise keine sapphischen Neigungen, jedenfalls nicht von Natur aus. Aber sie verbrachte die Hälfte ihrer Zeit in einer sehr zweideutigen Umgebung, die gekennzeichnet war von erotischen Äußerungen und Gesten, von Männern, die sie bewundernd anschauten und ihr manchmal wohl auch direkt Anträge machten. Nachdem sie jahrelang in einer solchen Atmosphäre gelebt hatte, war es nicht auszuschließen, daß die Forderungen ihrer eigenen Sexualität stärker wurden und daß es während der »Monate
228 «, die sie mit Ninon im Bett verbrachte, Momente und vielleicht auch Stunden der Zärtlichkeit, der Sinnlichkeit oder auch der körperlichen Liebe zwischen ihnen gegeben hat.
    Ninon hatte kürzlich reichlich Gelegenheit gehabt, die Freuden der Sexualität mit Frauen zu erkunden. Im Sommer 1656 hatte ein Moralkreuzzug, die » cabale des dévots« , angeführt von der frommen Königinmutter und den strengen Männern der Companie du Saint-Sacrement , Hunderte von Prostituierten von den Pariser Straßen geholt, und mit ihnen war Ninon, obwohl eigentlich keine Prostituierte, aufgelesen und in das Gefängnis-Kloster der Madelonnettes gesperrt worden, unweit ihrer Wohnung im Marais. Zum Entsetzen der Visitantinnen, die das Haus führten, trafen für Ninon täglich riesige Pakete mit reichlichem Essen und Wein ein, gesandt von bedeutenden Männern, die ihr die Leiden der Einkerkerung erträglicher zu machen wünschten, und erst recht gerieten die Nonnen in Aufruhr, als Dutzende junger Höflinge erschienen, die Klostermauern erklommen, sich auf dem Gelände umhertrieben und ihre Freilassung forderten. Daraufhin verlegte man Ninon rasch in das weiter ent
fernte Kloster von Lagny, zwanzig Meilen außerhalb von Paris in einer Kleinstadt, deren Befestigungen den Attacken von Feinden in Kriegszeiten und von leidenschaftlich erregten Liebhabern standzuhalten versprachen. Hier schmachtete sie ein ganzes Jahr, bis der Marschall d'Albret mit einem allzu hoffnungsfrohen Besserungsversprechen seitens der Dame ihre Freilassung im Sommer 1657 erwirkte.
    Das Kloster von Lagny war keine Besserungsanstalt wie die Madelonnettes. Es gab natürlich Nonnen mit einem unterschiedlichen Grad der beruflichen Hingabe, aber es beherbergte auch Mädchen und Frauen, im allgemeinen aus guter Familie, die nur deshalb dort waren, weil sie nicht wußten, wo sie sonst hätten hingegen können. Sie lebten freier als die Nonnen, und unter ihnen wurde Ninon rasch zu einem Star. »Die Tugend einer Frau ist nichts anderes als die Kunst, tugendhaft zu erscheinen«, hatte sie sie gelehrt und damit zweifellos eine attraktivere Option geboten als die freudlosen Schwestern, ihr trostloses Gesetz auf den Buchstaben genau zu befolgen. Ninon war ein Freigeist, eine professionelle Regelbrecherin. Ihre Aufgabe war es, alles zu wissen, was man über die körperliche Liebe wissen konnte, über die vielen verschiedenen Möglichkeiten, Lust zu erregen, für sich und ihre Partner, über die verbotenen sexuellen Stellungen, die vor kurzem ihren Weg nach Frankreich gefunden hatten, zusammen mit der Eßgabel und der Eiscreme und anderen italienischen Phänomenen. »Wenn ich will
229 , kann ich auch den Mann spielen«, hatte sie mehr als einmal erklärt. In einem Brief aus Lagny an einen homosexuellen Freund hatte sie bemerkt: »Ich folge Ihrem Beispiel und fange an, mein eigenes Geschlecht zu lieben.«
    Nichts davon ist gesichert, aber es steht auf jeden Fall fest, daß Françoise und Ninon nicht gezwungen waren, ein Bett zu teilen, wie die Allerärmsten oder wie freundliche Verwandte auf einem Kurzbesuch. Ihre Wohnungen waren nur einen Katzensprung voneinander entfernt; sie mußten keine
lange, kalte Kutschfahrt fürchten, um nach einem gemeinsam verbrachten Abend von der Heimkehr in das eigene Zuhause abzusehen. »Sie hatten keinen Grund
230 , in demselben Bett zu schlafen« – über Monate hinweg – »es sei denn, sie fanden Spaß daran.« Scarrons Stichelei könnte durchaus darauf hingedeutet haben, daß es zwischen seiner frei lebenden Freundin und seiner Frau eine echte sinnliche Beziehung gab, und wenn dem so war, könnte es für ihn sogar eine Erleichterung bedeutet haben. Eine Affäre zwischen Françoise und Ninon hätte seiner bereits gedemütigten Männlichkeit einen weniger harten Schlag versetzt. Eine Liebhaberin war eine andere Art von

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