Madame de Maintenon
Pforten dem triumphierenden König von Frankreich zu öffnen. Hauptmann Vauban war zur Stelle, um die Belagerung persönlich zu leiten. Königin Maria Theresia war ebenfalls zur Stelle, genau wie Athénaïs und eine Menge Höflinge aus Saint-Germain, die allesamt warteten, sich das Spektakel anzuschauen und angesichts des Kanonendonners und der einstürzenden Stadtmauern vor Erstaunen um Luft zu ringen.
Ludwig war ein erfahrener Unterhalter. Bei den häufigen Ballettaufführungen am Hof war er des öfteren als Alexander der Große oder sonst ein militärischer Held aufgetreten. Nun sollte er in dieser »theatralischsten Form des Krieges« in seiner persönlichen Rolle als Louis le Grand auftreten. Wie immer zeigte sich sein wundervoller Regisseur der Situation gewachsen: »Unter der Leitung Vaubans
382 ähnelte der Belagerungskrieg immer mehr einem bis ins letzte Detail choreographierten Ballett oder einer Bühnentragödie mit vorherbestimmtem Schluß.« Wie in Saint-Germain, wie in Versailles, so jetzt in Besançon. Während der gesamten Belagerung war
der König ständig sichtbar, »ermunterte er die Truppen
383 «. Dreizehn Tage lang hielt die Stadt durch, dann ergab sie sich Ludwig wie aufs Stichwort, unter dem Applaus seines halben Hofes. Danach reiste er heim und überließ es seinen Generälen, die übrigen Städte der Franche-Comté auf nicht ganz so theatralische Weise einzunehmen. Die letzte fiel am 4. Juli: das kleine Faucogney, verteidigt von nur dreißig Soldaten und zweihundert Bürgern, die dem französischen Gesandten, der sie aufforderte, sich zu ergeben, erklärten, sie alle seien »entschlossen, für den König von Spanien zu sterben
384 «. Das taten sie auch.
Am 13. Juli 1674 begann in Versailles eine Woche der Festlichkeiten, um endlich die Eroberung der Franche-Comté zu feiern. Das letzte prunkvolle Bankett fand in einem der Innenhöfe des Schlosses statt, wo »auf einem mit Blumen bestreuten Parterre
385 um eine gewaltige Siegessäule herum ein achteckiger Tisch aufgebaut worden war«. »Könige sollten es genießen, Freude zu bereiten
386 «, schrieb Ludwig mit Befriedigung.
Teil 2
Kapitel 13
Madame de Maintenant
Nicht Frühling hat, noch Sommer
491 , solchen Reiz,
Wie ich ihn sah in einem herbstlichen Gesicht.
Im November 1680 wurde Françoise reife fünfundvierzig Jahre alt, »als Frau noch immer attraktiv
492 «, wie Abbé de Choisy bestätigte. Ludwig, gutaussehend und voller Saft und Kraft, war jetzt zweiundvierzig, und Liselotte, seine robuste Schwägerin, die erst achtundzwanzig war und die Gegensätze als ärgerlich empfand, nahm es dem König entschieden übel, daß er »der alten Maintenon« offenkundig den Vorzug vor ihr gab, dem herzhaften Pummelchen.
Liselotte war in den König verliebt, aber seine Wahl blieb auch jenen unverständlich, die sich von seinen körperlichen Vorzügen nicht blenden ließen. »Niemand wußte
493 , was er davon halten sollte«, schrieb Primi Visconti, »weil Madame de Maintenon alt war. Manche dachten, sie sei die Vertraute des Königs, andere sahen in ihr nur eine Bedienstete, und wieder andere vermuteten, er habe sie als eine kluge Person dazu ausersehen, eine Denkschrift über seine Herrschaft zu verfassen … Etliche wiesen darauf hin, daß es tatsächlich Männer gibt, die sich sexuell stärker von alten als von jungen Frauen angezogen fühlen.«
Der weltläufige Chevalier de Méré, der Françoise in der Blüte ihrer Jugend so sehr bewundert hatte, hätte vielleicht ein paar sachdienliche Bemerkungen dazu machen können, wenn jemand auf die Idee gekommen wäre, ihn auf seinem stillen Landsitz im Poitou zu befragen: »Die schönsten Frauen
494 sind gefährlicher als zuvor, sobald ihre Jugend hinter ihnen liegt«, hatte er geschrieben. »Wenn sie in einer Hinsicht
etwas verloren haben, haben sie in einer anderen etwas gewonnen, und was sie gewonnen haben – an Liebreiz oder an Fertigkeiten –, macht sie noch anziehender.« Die vierzigjährige Athénaïs, aufgebracht und noch immer intrigant, hatte möglicherweise eingesehen, daß Ludwig bei der ausgeglichenen und anspruchslosen Françoise jene Ruhe fand, die er nach ihrer, Athénaïs', emotionalen Überspanntheit brauchte; der Abbé de Choisy bemerkte dazu: »Madame de Maintenon war freundlich
495 und zuvorkommend, wohingegen der König nie imstande war, Madame de Montespan Paroli zu bieten.« Aber es war Madame de Sévigné in Paris, die mit dem Vorzug des Abstands vom höfischen
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