Maechtig, mutig und genial
in die Brüche. Cascaret starb dann 1995 bei einem Autounfall. Danach war sie mit dem Weltrekordhalter im Hochsprung, Javier Sotomayor, liiert, dem mit einem Olympiasieg und sechs Weltmeistertiteln erfolgreichsten und besten Hochspringer in der Geschichte der internationalen Leichtathletik. Am 22. Januar 1993, Ana Fidelia war in der 30. Woche von ihm schwanger, erlitt sie einen schweren Unfall. Es war die Zeit der sogenannten Spezialperiode in Friedenszeiten. Der Ostblock war zusammengebrochen und mit ihm die kubanische Wirtschaft. Endlose Stromsperren waren ebenso an der Tagesordnung wie fehlendes Gas für den Herd. Es fehlte an allem, auch an Waschmitteln. Ana Fidelia hatte Wäsche in einem Topf auf einen Kerosinkocher gesetzt und anstelle von Waschpulver Isopropyl-Alkohol ins heiße Wasser geschüttet, aber vergessen, dass die Kerosinflamme noch brannte. Der Alkohol spritzte über den Rand des Topfes und lief in die Flamme. Sekunden später stand der gesamte Oberkörper der jungen Frau in Flammen. So die offizielle Version. In Sportlerkreisen in Havanna hielten sich jedoch hartnäckig Gerüchte, Ana Fidelia habe sich mit Benzin übergossen und angezündet, weil der verheiratete Sotomayor ihr Kind nicht anerkennen und sich nicht von seiner Frau habescheiden lassen wollen. Die Beziehung der beiden Sportler war auch in der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Ana Fidelia bestritt später, dass sie sich habe umbringen wollen, es sei ein Unfall gewesen. Doch sie redete nicht gern darüber.
Ana Fidelia Quirot erlitt schwere Verbrennungen, 38 Prozent ihrer Haut waren davon betroffen. Sie wäre fast gestorben und lag eine Woche lang auf der Intensivstation. Ihr Baby kam per Kaiserschnitt zur Welt, lebte jedoch nur wenige Tage. Sie nannte es Javiana Fidelia, nach den Eltern.
Als sie im Ameijeiras-Hospital an Havannas Malecón wieder aus der Bewusstlosigkeit erwachte, soll Fidel Castro neben ihrem Bett gestanden haben. »Ich werde wieder laufen«, soll sie da gesagt haben. Fidel hat sie mehrfach besucht in den 111 Tagen, die sie im Krankenhaus lag.
Ana Fidelia war nicht nur wegen ihrer sportlichen Leistungen berühmt, sondern auch um ihrer Schönheit willen. Gelegentlich hatte sie gemodelt. Ihr Gesicht, ihr Hals, ihr Oberkörper und ihre Hände waren nun von Brandnarben entstellt. Ihrer Mutter hat sie laut
Spiegel
gesagt, es wäre besser gewesen, man hätte sie sterben lassen.
Sie muss sich zahlreichen Hauttransplantationen unterziehen und oft ist sie hoffnungslos und deprimiert. Auch das Dehnen der verbrannten Haut ist sehr schmerzhaft. Doch nach zwei Monaten im Krankenhaus fängt sie an, auf einem Fahrrad zu trainieren und die Stufen des Hospitals rauf- und runterzurennen. Aus dem Krankenhaus entlassen, beginnt sie bald frühmorgens und abends spät zu laufen, wenn es nicht mehr heiß ist und die Sonne ihrer Haut nicht schaden kann. Ihre Narben sind mit einer speziellen Gaze abgedeckt. Und zehn Monate später bestreitet sie wieder einen Wettkampf in Puerto Rico. Arme und Nacken sind immer noch unter Narbentüchern versteckt und ihren Kopf kann sie nicht zur Seite drehen, doch sie läuft. Und wird zweite. Sie habe die Lust gespürt, wieder zu laufen und den Stolz, der Welt zu zeigen, dass Behinderte Sachen machen können, die unmöglich scheinen,erklärte sie dazu dem
Spiegel
. Der Sport habe ihr das Leben zurückgegeben, sagte sie später. Zurück in Havanna empfängt sie Fidel Castro mit den Worten, ihr Lauf sei einer der imponierendsten Dinge gewesen, »die wir im Leben gesehen haben«. Er umarmt sie, angeblich unter Tränen.
1995 ist sie, nach weiteren zwölf Hauttransplantationen, wieder in Hochform. In Göteborg wird sie Weltmeisterin über 800 Meter. Sie nennt diesen Sieg den schönsten ihres Lebens, weil sie ihn nicht mehr für möglich gehalten hatte. Vor den Olympischen Sommerspielen 1996 erklärte sie, sie sei froh, wenn sie das Finale erreiche. Sie erreicht es und gewinnt die Silbermedaille.
»Ich glaube, ich bin ein Symbol der kubanischen Revolution, ihrer Errungenschaften in der Erziehung, in der Medizin und im Sport. Ich bin bereit, der Revolution zu dienen, egal wie und wo«, erklärte sie der
Los Angeles Times
. Es spielt für sie keine Rolle, dass der Unfall, wenn es denn einer war, nur geschah, weil die Revolution so weit abgewirtschaftet hatte, dass es nicht einmal mehr Waschpulver gab.
Vom aktiven Leistungssport zog sie sich 2000 zurück, 2006 nahm sie in Italien noch einen Preis für Fair Play
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