Maechtig, mutig und genial
von 2006 bis 2010 Chiles Präsidentin, verkörpert wie Fernández de Kirchner und ihre Kolleginnen Dilma Rousseff aus Brasilien und Laura Chinchilla aus Costa Rica einen modernen Typ Frau: bereits in jungen Jahren politisch engagiert, akademisch gebildet, ehrgeizig und durchsetzungsfähig. Politikerinnen wie sie gibt es inzwischen viele in Lateinamerika, und nicht nur im linken Lager. In Ecuador hatte die Juristin, Schriftstellerin und Exministerin Rosalía Arteaga als Vizepräsidentin nach dem Sturz des Präsidenten Abdalá Bucaram 1997 für fünf Tage die Präsidentschaft übernommen. In Mexiko streckte die konservative Unternehmerin, ehemalige Abgeordnete und Ministerin Josefina Vázquez Mota 2012 (vergeblich) die Hand nach der Präsidentschaft aus, in Peru hat sich die Juristin und christdemokratische Parlamentsabgeordnete Lourdes Flores bereits zweimal um das Präsidentenamt beworben, in Venezuela kandidierte die Politologin und ehemalige Bürgermeisterin Irene Sáez gegen Hugo Chávez für das höchste Staatsamt. Lediglich Keiko Fujimori, die sich 2011 in Peru nicht hatte durchsetzen können, passt nicht ganz in dieses Schema. Zwar ist sie seit mehreren Jahren politisch aktiv, aber ihr politisches Engagement und ihre Präsidentschaftskandidatur hatten vor allem das Ziel, ihren wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte und Korruption zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten Vater, den ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, per Amnestie aus dem Gefängnis zu befreien.
Mit der Brasilianerin Dilma Rousseff hat in den 19 spanischbzw. portugiesischsprachigen Ländern des Subkontinents (Puerto Rico wird nicht mitgezählt) bereits die neunte Frau als Präsidentin ihren Amtseid abgelegt und bestimmt damit die Richtlinien der Politik. Lateinamerikas Präsidentinnen nehmen aber gleichzeitig, wie in sämtlichen Verfassungen verankert, die repräsentative Funktion des Staatsoberhauptes wahr.In den 27 Staaten der Europäischen Union schafften es bislang nur fünf Frauen bis ans Schaltpult der Macht, sprich: ins Amt der Premierministerin beziehungsweise Kanzlerin. Fünf europäische Länder wurden bereits einmal oder werden derzeit von einer Staatspräsidentin repräsentiert, Staatsoberhaupt dreier EU-Länder ist eine Königin.
MINISTERINNEN, PARLAMENTSABGEORDNETE UND BÜRGERMEISTERINNEN
Die Zahl der Ministerinnen hat sich in den meisten Ländern enorm erhöht, im Schnitt waren 2011 ein Viertel der lateinamerikanischen Minister weiblich; in Chile war unter Michelle Bachelet zeitweilig die Hälfte der Ministerposten mit Frauen besetzt. Lateinamerikas Frauen drängen dabei auch in typische Männerdomänen vor: Am 25. April 1990 übernahm die nicaraguanische Präsidentin Violeta Chamorro neben dem höchsten Staatsamt auch gleich das Verteidigungsressort, als erste Frau in den Amerikas und knapp zwei Monate, bevor in Europa mit der Finnin Elisabeth Rehn erstmals einer Frau dieses Amt übertragen wurde. 1996 wurde dann Costa Ricas heutige Präsidentin Laura Chinchilla erste Ministerin für öffentliche Sicherheit und war damit Chefin von Polizei und Grenzschutz. Mit Michelle Bachelet übernahm im Januar 2002 auch in Südamerika erstmals eine Frau das Verteidigungsministerium, ausgerechnet in einem Land, in dem die Streitkräfte lange Jahre an der Macht waren und immer noch eine gewichtige Rolle spielen. Inzwischen unterstanden oder unterstehen auch in weiteren Ländern des Subkontinents die Streitkräfte Frauen. Es scheint also, als seien hier die traditionellen Rollenbilder stärker ins Wanken gekommen als in Deutschland, wo eine Frau als Verteidigungsministerin noch immer schwer denkbar ist.
Ähnliches gilt für andere, traditionell als wichtig geltende und damit männlich dominierte Ressorts. Bevor MadeleineAlbright 1997 ins US-Außenamt einzog, hatten in Kolumbien bereits zwei Frauen die Funktion der Außenministerin innegehabt, Noemí Sanín (1991) und María Emma Mejía (1996).
In einigen lateinamerikanischen Parlamenten sitzen mehr Frauen als im Deutschen Bundestag. Seit den 1990er Jahren machen es in vielen Ländern Lateinamerikas Quotenregelungen den Frauen leichter, in die Parlamente gewählt zu werden. Am höchsten ist die Quote in Costa Rica: Dort sollen 40 Prozent der Abgeordneten weiblich sein, und bei den Wahlen 2010 wurden 38,5 Prozent erreicht. Zum Vergleich: Dem Deutschen Bundestag gehören 2012 32,8 Prozent Frauen an. In Argentinien liegt die Quote bei 30 Prozent, und sie wird mit 37,4 Prozent bei
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