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Mädchen im Moor

Mädchen im Moor

Titel: Mädchen im Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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im Grunde genommen das Ende einer langen Kette war, die aus den widrigen Umständen in der Familie Rothen geflochten worden war und deshalb keinen von Schuld freisprach, weder Holger noch Helena v. Rothen, brachte die Entscheidung.
    Eine Rückkehr in das Haus Rothen war unmöglich. Sie zog sich zurück in eine kleine Villa nach Südfrankreich und lebte das träge Leben eines Müßiggängers, der vom Leben nichts anderes übrighatte als eine dumpfe Sattheit, die bei dem Gedanken an neuen Genuß in Übelkeit überging.
    Holger v. Rothen machte sein Versprechen wahr. Er stiftete zur Ausgestaltung von Gut Wildmoor einen Betrag, der das Ministerium in Verlegenheit setzte und die rechtliche Frage aufwarf: Darf eine staatliche Stelle zweckgebundene Stiftungen annehmen?
    Da alles seine Richtigkeit haben mußte, wurde eine juristische Kommission unter Dr. Fugger gebildet, die ein Gutachten über dieses Problem ausarbeiten sollte. Eines jedoch war erreicht: Wildmoor blieb offene Jugendstrafanstalt. Die angelieferten Gitter verrosteten in einer Scheunenecke, die in Auftrag gegebenen festen Türen wurden storniert, die Beschränkungsverfügungen aufgehoben.
    Die Mädchen marschierten wieder hinaus ins Moor, singend, in bunten Schürzen. Im großen Speisesaal wurde wieder Fernsehen genehmigt … die Theatergruppe begann, für das Erntedankfest ein fröhliches Spiel einzustudieren. Auch die Lehrerin Erna Wangenbach hielt wieder Schule in Deutsch, Rechnen, Heimatkunde, Erdkunde und Biologie.
    Es war, als sei ein Gewitter über Wildmoor gezogen, als habe es gehagelt und geblitzt … nun war die Luft wieder rein, staubfrei fast, von steriler Frische.
    Dr. Schmidt schien recht zu behalten: Es gibt keine Verbrecher unter Jugendlichen. Der junge Mensch ist das Produkt seiner Umwelt. Und solange er jung ist, kann man ihn erziehen … durch das gute Beispiel, durch die Gemeinschaft, durch die Erweckung von Selbsterkenntnis und Selbstvertrauen.
    Und so ging das Leben weiter.
    In der Küche bei Radiomusik, im Stall und in der Scheune, auf den Feldern und im Moor … die einen wurden entlassen und neue kamen, noch scheu und sichernd wie ein gefangenes Raubtier, aber dann sich auflockernd und einfügend in die mitreißende Gemeinschaft, deren Triebkraft Freude war.
    »Du solltest einen großen Erfahrungsbericht schreiben«, sagte eines Tages Dr. Röhrig zu seinem Freund Regierungsrat Dr. Schmidt. »Ich garantiere dir die größte Beachtung und einen Schritt auf der Beamtenleiter nach oben.«
    Dr. Schmidt lächelte mokant, suchte in einem Stapel Papieren und holte einen dünnen, blauen Aktendeckel hervor.
    »Das gibt es bereits, mein Bester.« Seine Stimme war dick voll Spott, und Dr. Röhrig wunderte sich darüber. »Ein juristischer Essay, der mir zur Stellungnahme zuging. Titel: ›Unsere Erfahrung mit dem neuen sozialhumanitären Strafvollzug an Jugendlichen und Heranwachsenden in der offenen Jugendstrafanstalt Gut Wildmoor‹ –«
    »Bravo!« rief Dr. Röhrig und klatschte in die Hände. »Das wird deinen Namen berühmt machen.«
    Dr. Schmidt klappte den Aktendeckel zu, als er weitersprach:
    »Autor: Regierungsdirektor Dr. Fugger –«
    Er sah zum erstenmal, daß Dr. Röhrig völlig sprachlos sein konnte.
    Noch vor dem Erntedankfest wurde Monika Busse entlassen.
    Der Antrag der Strafaussetzung zur Bewährung war durchgekommen, nicht zuletzt durch die sensationelle Aktennotiz, die hinauf bis zum Ministerium wanderte, daß der Anwalt Dr. Spieß die Monika Busse sofort heiraten wollte. Ein Bewährungshelfer war also nicht nötig. Der Ehemann verpflichtete sich, auf seine junge Frau selbst aufzupassen.
    Um keine Sensation aus diesem Sonderfall zu machen, wurde die Entlassung Monikas bis zur letzten Minute geheimgehalten. Auch Monika selbst erfuhr es erst eine Stunde vor ihrer Rückkehr in die Freiheit. Sie war an diesem Tage für Stubendienste zurückbehalten worden … gegen 10 Uhr vormittags (um 11 Uhr wollte Dr. Spieß seine Braut abholen), als alle Arbeitskommandos außer Haus waren und das Packen Monikas von keinem gesehen wurde, ließ Dr. Schmidt sie zu sich kommen und eröffnete ihr mit einem knappen Satz, was bevorstand:
    »Monika, du wirst in einer Stunde abgeholt«, sagte er. »Du bist ab sofort entlassen auf Bewährung. Kehrt marsch – und packen. Frau Spange wird dir aus dem Magazin alles geben.«
    Monika Busse stand wie angewurzelt im Zimmer. Sie war blaß geworden und schien nicht zu verstehen. »Aber –«, sagte sie

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