Mädchen im Schnee
metallisch, nach Blut. Vor ihren Augen tanzten schwarze Schatten.
»Antworte!«
Magdalena rang nach Atem, aber sie bekam keine Luft.
»Wo ist die Kamera, und wo ist der andere Mann?«
Als Magdalena noch immer nichts sagte, gab er ihr mehrere feste Ohrfeigen, dann fing er an, ihren Kopf auf den Fußboden zu schlagen, fester und immer fester.
»Wo.«
Knall.
»Ist.«
Knall.
»Die Kamera.«
Magdalena spürte warmes Blut im Mund, das über ihr Kinn lief.
Plötzlich schlug der Gesichtsausdruck des Mannes von Wut in Verachtung um. Er beugte sich über sie und flüsterte:
»Du miese kleine Fotze.«
Dann ließ er ihre Haare los und riss ihren Pullover hoch.
Jetzt kam der Schrei.
Magdalena schrie, so laut sie konnte, bis der Schlag über der Schläfe vor ihren Augen alles schwarz werden ließ.
Bengt nahm einen Schluck Leichtbier und sah Gunvor fragend an.
Stefan? Hatte er das Auto an Stefan verliehen? Wenn sie das sagte, dann war es wohl so. Gunvor hatte immer recht.
»Warum hast du dich das gefragt?«, meinte Gunvor und biss einen Apfelsinenschnitz in der Mitte durch.
»Ach, nur so.«
»Nur so?«
Bengt dachte nach. Könnte Stefan etwas mit der Sache zu tun haben? Was sollte er jetzt tun? Sollte er ihn fragen, ob er sich an Blutspuren im Auto erinnern konnte?
Ich muss Christer anrufen und ihm davon erzählen, dachte er. Das war sicher eine gute Entscheidung.
Gunvor faltete die Serviette mit den Apfelsinenschalen zusammen und erhob sich müde. Bengt sah ihr nach, als sie zur Spüle ging und die Serviette in den Müll warf. Ge dankenverloren sah er zu, wie sie den vollen Beutel herausnahm und zuknotete.
»Kannst du den rausbringen?«, fragte sie.
Bengt erhob sich und nahm die Mülltüte entgegen.
Am Himmel stand ein heller Mond. Sein Licht war so weiß, dass Bengt an der Mülltonne stehen blieb und zu dem Vollmond hochsah, der tief über ihrem Haus hing.
Als er sich umdrehte, hörte er einen gellenden Schrei. War das ein Fuchs? Nein, das konnte nicht sein.
Da war es wieder. Es klang, als käme es aus Magdalenas Haus. Bengt lief die die Treppe zur Haustür hinauf, um einen besseren Überblick zu haben. In der Küche war Licht, auch im Wohnzimmer brannte eine kleine Lampe, aber die übrigen Fenster waren dunkel. Im Schnee waren frische Spuren zu sehen, die an der Hauswand entlang und um die Hausecke verliefen.
Da war er wieder, der Schrei. Er kam definitiv von dort. Die Panik und das Durchdringende an diesem Schrei erschreckte Bengt zu Tode.
Er riss die Tür auf.
»Gunvor, bei Magda drinnen schreit jemand. Wir müssen die Polizei rufen.«
Gunvor erschien im Flur.
»Was sagst du da?«
»Ruf die Polizei! Drüben bei Magdalena stimmt was nicht. Vielleicht ist da jemand eingebrochen. Ruf sofort an!«
Bengt eilte in den Keller.
Jetzt den Elchstutzen.
Auf der Treppe waren Gunvors Holzschuhe zu hören.
»Ich habe die Polizei angerufen! Aber, Bengt, du wirst doch nicht …?«
»Das kann eine Stunde dauern, bis die Polizei hier ist«, sagte Bengt, drängte sich an ihr vorbei und rannte, so schnell er konnte, die Treppe hinauf. Oben riss er den Schlüssel mit der kleinen Keramikfigur aus dem Schlüsselschränkchen.
»Lieber Bengt«, jammerte Gunvor. »Sei vorsichtig.«
Ohne ein Wort zu erwidern, machte Bengt die Tür auf und verschwand.
Im Kofferraum war es kalt, eiskalt und kohlrabenschwarz. Sonya klapperte mit den Zähnen. Ich werde erfrieren, dachte sie. Ich muss hier raus.
Sie wagte nicht, zu klopfen und zu schreien. Wenn Kosta sie hörte, wäre alles vorbei, das war ihr klar.
Wenn du abzuhauen versuchst, dann bringe ich dich um. Ist das klar?
Stattdessen fing sie an, sich in der Dunkelheit voranzutasten. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die geriffelte Gummimatte unter ihr, und dann weiter bis zu dem kalten Kofferraumdeckel. Erst war das Metall ganz glatt, dann beulte es sich ein wenig aus. Wo war das Schloss? Man musste es doch irgendwie aufbekommen. Aber wie?
Es gelang Sonya, sich auf den Rücken zu drehen. Hier musste das Schloss sein. Sie drückte an dem Schloss herum und versuchte, daran zu schieben und zu ziehen, aber es geschah nichts.
Lieber Gott, hilf mir.
Als sie die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte, fanden ihre Finger einen Bowdenzug. Erst zog sie vorsichtig daran, doch nichts tat sich. Dann zog sie etwas fester.
Klick.
Der Kofferraum war offen. Das Geräusch ließ sie zusammenzucken.
»Danke«, murmelte sie. »Danke.«
Vorsichtig drückte sie den Deckel ein Stück
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