Maedchenjagd
und sie nahm einen großen Schluck Wasser. »Ach, Morrow hat mich auch angerufen, um mir zu sagen, dass Shana sich in einen Patienten verliebt hätte. Ich habe mich furchtbar aufgeregt. Sie sagt, es stimmt nicht und dass sie nur befreundet waren. Aber eine der Pflegerinnen hat behauptet, dass der Mann einen Anteil an der Klinik besitzt und kommen und gehen kann, wann er mag.«
Mit einem Knall fügten sich die Teile in Marys Hirn zusammen. Sie hatte vermutet, dass der UT Geld besaß. Als sie nach ihrer Handtasche griff und nach dem Handy suchte, warf sie ihr Wasserglas um. Die Kellnerin eilte herbei, um aufzuwischen. »Wo genau ist diese Klinik?«
»Ich weiß die Adresse nicht«, antwortete Lily, »aber sie liegt zwischen Palo Alto und San Francisco. Du musst den Namen Whitehall nur googeln, dann findest du sie gleich. So habe ich sie ja auch gefunden. Ich habe bei der Staatsanwaltschaft angerufen, aber die haben sich noch nicht zurückgemeldet. Kannst du mir helfen? Wir müssen diesen Leuten unbedingt das Handwerk legen, damit nicht noch anderen das Gleiche passiert wie Shana. Und dann ist da auch noch dieser tote Mann. Selbst wenn es ein Suizid war, muss man die Klinik zur Rechenschaft ziehen. Dafür schickt man selbstmordgefährdete Menschen doch in eine psychiatrische Einrichtung.«
Ungestüm wie ein Rennpferd in der Startbox scharrte Mary mit den Füßen. Whitehall war das perfekte Versteck für einen Serienmörder, zumal, wenn er jederzeit kommen und gehen konnte. Dazu kam der jüngste Selbstmord. Der UT konnte jemanden töten und hinter den Mauern der Klinik verschwinden. Jemand im Team hatte die Höhle von Batman erwähnt – vielleicht hatte sie die soeben entdeckt. Möglicherweise suchte sich der Mörder sogar seine Opfer im Krankenhaus aus. »Hör zu«, sagte sie. »Ich schicke sofort jemanden nach Whitehall. Ich kann nicht versprechen, wie es ausgehen wird, aber ich werde tun, was ich kann.« Sie ließ den Blick durch den Raum schweifen und entdeckte die Kellnerin, die gerade die Bestellung eines älteren Paares aufnahm. »Du musst mir nur einen Gefallen tun.«
»Um was geht es?«, fragte Lily und beugte sich über den Tisch. »Ich mache alles.«
»Übernimm du die Rechnung. Ich muss mich sofort an diese Sache machen. Nächstes Mal lade ich dich ein. Ach, und vergiss nicht, ihr ein ordentliches Trinkgeld zu geben.« Mary stand auf, stürmte aus dem Restaurant, und Lily blieb allein am Tisch zurück.
Endlich hatte ihre Mutter sich den Richtigen ausgesucht. Chris war wunderbar. Durch seinen Optimismus und seine unverkrampfte Art fühlte sich Shana in seiner Anwesenheit wohl und entspannt. Das Haus am Meer war ebenfalls ein Volltreffer, und sie genoss die langen Spaziergänge am Strand. Ihre Mutter hatte sich mit einer Freundin zum Essen verabredet, und Chris war beim Golfspielen. Shana musste sich selbst versorgen, also machte sie sich ein Sandwich und nahm es mit hinaus auf den Balkon. Sie hatte erst ein paar Bissen gegessen, als im Haus das Telefon klingelte. Sie vermutete, dass es ihre Mutter sei, ließ das Sandwich auf dem kleinen Tisch stehen und eilte an den Apparat.
»Shana«, sagte eine weibliche Stimme. »Weißt du, wer ich bin?«
Sie konnte die Stimme nicht zuordnen, auch wenn sie ihr bekannt vorkam. »Nein, tut mir leid.«
»Karen … du weißt schon … aus dem Krankenhaus.«
»Karen, meine Güte, wie geht es dir? Wie lieb von dir, dass du anrufst.«
»Ich dachte, du solltest es wissen. Alex ist tot.«
»Alex ist tot?« Fassungslos setzte Shana sich an den Küchentisch. »Das ist unmöglich, Karen. Irrst du dich nicht? Er war doch vollkommen gesund. Wann soll das gewesen sein? War er noch in Whitehall?«
»Nein«, antwortete Karen. »Gleich nach deiner Abreise hat er die Klinik verlassen. Er hatte eine Hirnblutung. Man hat ihn tot in seinem Auto gefunden. Eine erweiterte Schlagader ist geplatzt. Er war sofort tot. Wenigstens hat er nicht gelitten.« Sie verstummte und hustete. »Wusstest du, dass er einer der Haupteigentümer der Klinik war? Ich war total schockiert, als ich das erfahren habe. Ich dachte, er wäre ein Patient wie alle anderen, auch wenn er uns eine Menge teurer Geschenke gemacht hat.«
Shana starrte in den Spiegel, der ihr gegenüber an der Wand hing. Doch statt sich selbst sah sie Alex. Sie versuchte, nicht hinzusehen, aber ihr Blick haftete wie ein Magnet am Spiegel. Er zog die Augenbrauen zu seinem typischen überheblichen Ausdruck zusammen, dann
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