Männer und der ganz normale Wahnsinn
einer Blechdose. Also habe ich beschlossen, mich selbst davon zu überzeugen, dass es Shelby gut geht. Mensch, ich kenne meine Cousine, so lange ich lebe. Wenn da wirklich was nicht in Ordnung ist, werde ich es herausfinden, ganz sicher. Und heute Abend werde ich mich von nichts ablenken lasen. Ich habe genauestens geplant, wie ich unauffällig herausfinden kann, was da los ist.
Natürlich, falls sich herausstellen sollte, dass Terrie Recht hat, dann werde ich sofort an Selbstmord denken. Ja, Shelby übertreibt vielleicht gerne ein wenig, freundlich ausgedrückt. Aber ihre Ehe mit Mark war immer mein Maßstab dafür, wie es sein sollte, und das seit sechs Jahren. Ich will nicht, dass dieser Traum zerplatzt, glauben Sie mir.
Aber ich will es wissen.
Es gibt eine Unmenge Umarmungen und Küsse, als sie in meine Wohnung strömen, die Kinder steuern direkt auf den armen Hund zu. Der das Gott sei Dank ganz in Ordnung zu finden scheint. Man weiß ja nie bei Geoff. Nicht dass er jemals bissig wäre oder so. Dazu hat er viel zu viel Klasse. Er kann aber ziemlich unterkühlt wirken, wenn er in der Laune dazu ist. Distanziert.
Ich frage alle, was sie trinken wollen, gehe in die Küche, um Shelby ein Glas Ginger Ale und Mark einen Scotch auf Eis zu holen, ohne sie dabei auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen. Sie benehmen sich wie immer, als ob sie umhüllt wären von sprühenden, schillernden Liebes-Seifenblasen. Als ob unsichtbare Fäden sie miteinander verbinden. So was in der Art. Manchmal machen mich ihre Schmusereien schier wahnsinnig, aber heute Abend freue ich mich darüber. Shelby scheint sehr entspannt und lächelt Mark an, als er ihr ihr Getränk reicht.
Ich war immer der Meinung, dass die beiden sich perfekt ergänzen, so als ob man nach monatelanger Suche endlich genau den richtigen Pulli zu der herabgesetzten Bluse findet, die man spontan gekauft hat, woraufhin diese Kombination zum Lieblings-Outfit wird. Mark ist der Typ Mann, bei dem einem als Erstes der Ausdruck „nett“ einfällt. Nichts an ihm ist wirklich bemerkenswert, er sieht normal aus – sandblondes Haar, das schon etwas licht wird, eine Brille mit Drahtgestell, nussbraune Augen, kleiner Bauchansatz – aber doch recht attraktiv. Ein freundlicher Mann, dessen Augenbrauen sich konzentriert zusammenziehen, wenn man mit ihm spricht, als ob er bemüht wäre, kein einziges Wort zu verpassen. Was für einen Kinderarzt sicher wichtig ist. Heute bin ich ganz erstaunt darüber, dass Shelby und er eigentlich wie Geschwister aussehen, ihre Haarfarbe und alles andere ist sehr ähnlich.
„Was gibt’s zu essen?“ fragt Shelby. Sie trägt einen lockeren Baumwollpullover über einem weißen T-Shirt, Leinenhosen und teure Ledersandalen. Ein Samtband hält das Haar aus ihrem rundlichen Gesicht, wodurch sie zehn Jahre jünger aussieht, als sie ist. „Ich verhungere!“
Also das ist merkwürdig. Shelby ist zwar nicht magersüchtig, aber noch nie in ihrem Leben hat sie zugegeben, hungrig zu sein.
„Lasagne und Salat.“
Wahnsinn, ich kann Lasagne machen. Vor allem wenn es sich um die handelt, die meine Nonna mir vor etwa drei Monaten vorbeigebracht hat. Ich musste sie nur auftauen, um sie danach eine halbe Stunde in den Ofen zu stecken, was ich jetzt tue. Das ist eben meine Art zu kochen.
Der Salat ist schon fertig, der Tisch ist gedeckt, die Kinder sind beschäftigt … also gehe ich zurück ins Wohnzimmer und setze mich in den Schaukelstuhl. Ein paar Minuten lang sagen wir nichts, wir müssen uns erst richtig warm laufen, wie das so ist bei Leuten, die sich eine Weile nicht gesehen haben. So nett ich Mark auch finde, sobald das Gespräch beginnt, in typisch weiblicheren Bahnen zu verlaufen, steht er auf und sagt: „Na gut, ich schätze, ich lasse euch Frauen da mal alleine.“ Danach küsst er Shelby aufs Haar und verschwindet in sein Büro oder irgendwohin. Leider funktioniert diese Taktik immer nur, wenn wir bei ihnen zu Abend essen. Da er aber jetzt bei mir ist, sitzt er in der Falle. Und da keiner von uns will, dass der Mann feuchte Augen bekommt, klammern wir uns an ungefährliche Themen.
„Na“, sagt Shelby, „wie ist dein neuer Job?“
„Du weißt ja, wie das in den ersten Wochen immer ist“, antworte ich schulterzuckend, „man muss sich erst eingewöhnen.“
Auf diese unkonkrete Antwort hin kneift sie die Augen zusammen, aber nur ein klein wenig. Terrie hätte keine Hemmungen, jetzt die Wahrheit aus mir rauszuquetschen. Aber
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