Männerfrei: Roman (German Edition)
Zwischendurch knutschten wir herum. Er malte Strichmännchen für mich. Die anderen zogen über das Establishment her, was zum Teil sehr lustig war, obwohl ich damals noch nicht wusste, was mit » Establishment« gemeint war. Dann, nach zwei oder drei Monaten, die wir in diesem Stil verbrachten, gerade als ich begann, mich zu fragen, warum Arty Jonathan von den Dingen, die er ankündigte zu tun, nie etwas tat, und mir außerdem auffiel, dass seine Witze und Sprüche sich wiederholten, machte er Schluss mit mir. Er sah auf seine Uhr, als wir an einem Samstagnachmittag zum Barley Mow gingen, und sagte: » Ich muss weiter zum King’s Cross. Meine Freundin kommt in einer Stunde mit dem Zug aus Leeds. Wir fliegen nach Paris heute Abend.«
Ich war wie vom Donner gerührt, statt dass mir das Herz brach. Es gibt da einen Unterschied. Was mir weitaus mehr Schmerzen bereitete, war die Tatsache, dass er ein Schmarotzer war und sich erst zwei Tage bevor er mich abservierte zweihundert Pfund von mir geliehen hatte. Er hatte behauptet, seine EC-Karte wäre kaputt. Aber nun war klar, dass er die Kohle brauchte, um seine Freundin nach Paris einzuladen. Und ich war zu ängstlich/dämlich/höflich, um das Geld zurückzuverlangen. Ich nickte nur und verzog mich, so schnell ich konnte, ohne jemals wieder den Kontakt zu ihm zu suchen. (Ich mag keine Konfrontationen.) Wenig später kamen meine Freunde von der Uni nach London, wodurch sich mein Leben grenzenlos verbesserte, und ich versuchte die Beziehung mit Arty Jonathan als schlechte Erfahrung abzuhaken. Zumindest trieb mir das meine Naivität ein wenig aus.
Oh Gott, das mit Arty Jonathan ist schon eine Ewigkeit her. Und nun stehe ich da. Als Single. Wieder einmal.
Was soll ich heute anziehen?
In Anbetracht meines neuen Singlestatus, meines bisschen Liebeskummers und meines allgemeinen Trübsinns ist es kein Wunder, dass mir heute der Sinn nach einem kriegerischen Outfit steht. Ich ziehe blickdichte Strümpfe an, die schwärzer sind als schwarz, ein schwarzes Kleid, schwarze Stiefel und eine schwarze Motorradlederjacke mit Nieten. Die Haare hochgesteckt zu einem Chignon, ein dicker Balken unter jedem Auge mit schwarzem Eyeliner und ein paar sorgfältige Minuten mit dem Augenbrauenstift. (Ich bin von meinen Brauen besessen. Sie sind mir ein Dorn im Auge.)
Mein äußeres Ich ist auf den Tag vorbereitet. Überprüfe das innere Ich. Das innere Ich ist nicht vorbereitet. Das innere Ich möchte sich am liebsten zu Hause verkriechen und den ganzen Tag Gossip Girl schauen, ungeachtet des Umstands, dass das äußere Ich alt genug ist, um eine Mutter in Gossip Girl zu spielen.
Ich esse eine Banane in unserer Küche(nzeile) und registriere zufrieden, dass meine Mitbewohnerin/Vermieterin Anna, die nie zu Hause ist, das düstere kleine Wohnzimmer mit Sechziger-Jahre-Einrichtung so picobello wie immer hinterlassen hat. Ich wohne hier schon seit Jahren zur Untermiete. Das Bad ist eine Zumutung, die Teppiche sind ausgetreten, und die Möbel stammen alle noch von Annas Eltern, die hier seit den frühen Siebzigern lebten. Aber Pimlico ist ein gutes Viertel. Zwar gibt es hier keine Promis (Pimlico kann sich nicht entscheiden, ob es nobel/schäbig/langweilig sein will), aber es sind nur fünfzehn Minuten bis zum Oxford Circus, der Heimat von praktisch jeder Modemarke und zugleich Touristenhölle. Mein Zimmer ist sehr ruhig und hell, Anna und ich verstehen uns gut (wir sind locker befreundet, ohne uns ständig gegenseitig auf der Pelle zu sitzen), und das Zimmer ist sehr, sehr günstig. Anna könnte eigentlich mehr dafür verlangen, obwohl die Wohnung nicht der Hit ist, doch daran scheint sie nicht interessiert zu sein. Wenn sie nicht arbeitet, verbringt sie die meiste Zeit mit ihrem Freund, dem ich noch nie begegnet bin. Ich habe langsam den Eindruck, dass sie bald bei ihm einzieht.
Ich wische kurz über die Anrichte mit einem Spüllappen, ignoriere den riesigen Stapel ungeöffnete Kontoauszüge auf dem Brotkasten, schnappe mir meine gelbe Glückshandtasche und mache mich auf den Weg zur U-Bahn. Ich würde normalerweise fröhlich die Treppe herunterhüpfen, aber ich glaube nicht, dass ich heute dazu imstande bin. Seufz.
Ich gehe kurz in den Zeitungsladen und kaufe mir die Grazia, um mich ein bisschen aufzuheitern. Während ich in der Schlange warte, kommt ein junger Kerl Anfang zwanzig herein. Er trägt Rugby Shorts und ein T-Shirt mit der Aufschrift: » Ich habe deiner Freundin alles beigebracht,
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