Männerküsse: homoerotische Geschichten (German Edition)
jeden!
Gut, jeden vielleicht nicht, schließlich bin ich immer noch mit meinem damaligen Kumpel Stephen befreundet, aber einen bestimmten Jemand möchte ich gewiss aus meinem Gedächtnis verbannen. Blond gelocktes Haar, karamellbraune Augen, Sommersprossen um die Nase herum – es kommt mir vor, als wenn es gestern gewesen wäre, dass wir Lebewohl gesagt haben.
Ich würde auf die Uni gehen, er wollte irgendwo im Nirgendwo auf einer Pferderanch arbeiten und hinterließ mich und die Scherben meines gebrochenen Herzens. Okay, er konnte nicht wissen, dass er mich so verletzt hatte – ich habe ihm nie gesagt, dass ich mich unsterblich in ihn verliebt und ihn in jeder Unterrichtsstunde angehimmelt hatte. Ich traute mich nicht, war zu schüchtern und sagte mir immer wieder: Morgen fragst du ihn, ob er mit dir ins Kino gehen möchte. Morgen. Morgen. Und ehe ich mich versah, waren die Jahre verstrichen und wir hatten unseren Abschluss in der Tasche. Selbst, wenn ich mich getraut hätte, wäre sowieso nichts dabei herumgekommen. Keine Chance, dass er schwul gewesen sein könnte – auf gar keinen Fall. Obwohl ich ihn eigentlich nie mit einem Mädchen zusammen gesehen habe.
Aber das spielte keine Rolle. Ich wollte ihn vergessen, nicht mehr an ihn denken und ihm nicht hinterhertrauern. Wenn das so leicht wäre – der Kerl hatte sich wie eine chronische Krankheit in meinen Körper gepflanzt, und es kam sogar so weit, dass ich meine Beziehungen danach auswählte, wie ähnlich sie ihm sahen. Doch selbst wenn einer von ihnen sein Zwillingsbruder gewesen wäre, hätte er mich nicht glücklich machen können. Denn ihn gab es nur einmal. Nur ihn und sonst keinen. Niemand hatte sein sanftes Lächeln. Niemand hatte die hübschen Grübchen auf den Wangen. Und ganz sicher hatte niemand seine Stimme, die mich an dunklen Honig erinnerte. Keiner war wie er. Peter Fields.
Ich lehne mich nach vorne, stütze den Kopf auf den Händen ab und lese die E-Mail ein weiteres Mal. Klassentreffen. Am 12. August. Das ist in knapp einem Monat, und bei dem Gedanken daran, dass Peter vielleicht auch kommen würde, zieht sich mein Magen zu einer winzigen Kugel zusammen. Vermutlich ist er verheiratet, hat zwei Kinder, ein Haus auf seiner Pferderanch und ein zufriedenes Leben. Höchstwahrscheinlich weiß er gar nicht mehr, wer ich bin. Damals schon wechselte er kaum ein Wort mit mir. Eigentlich sagte er nie viel. Stand immer für sich alleine auf dem Schulhof, die Hände in den Hosentaschen, den Kopf gesenkt, als wenn es auf seinen Schuhen etwas höchst Interessantes zu sehen gab. Wie gerne wäre ich zu ihm gegangen, hätte mich neben ihn gestellt, mit ihm gequatscht, ihn zum Eis eingeladen, seine Hand genommen, ihn mit zu mir nach Hause …
Stopp! Schluss damit, Charlie. Fang nicht schon wieder an. Es ist vorbei. Aus und vorbei. Du musst Peter vergessen, ein für alle Mal. Ja, wenn das so einfach wäre. Monica ist Schuld, dass sich die Erinnerungen wieder in mir aufwühlen wie sandiger Meeresboden. Verdammt noch mal. Egal was kommt, ich werde nicht zu dem Treffen gehen. Ich antworte Monica, dass ich verhindert bin. Genau, das werde ich tun.
Gerade, als ich die ersten Worte tippen möchte, klingelt das Telefon. Hoffentlich ist es einer dieser Kunden, der mir eine Frikadelle ans Ohr labert und mich für einen Augenblick mein Selbstmitleid vergessen lassen wird.
»Insurance Agency Safety, Bloom am Apparat.«
»Hey, Kumpel. Wie steht’s?«
»Stephen. Hi. Du, im Moment ist’s ganz schlecht. Viel zu tun. Chef ist da und schaut schon böse zu mir rüber.« Außerdem muss ich jetzt die E-Mail schreiben. Liebe Monica, leider …
»Dauert nicht lange. Wollte nur fragen, ob du die E-Mail bekommen hast?«
Boden, tue dich auf und verschluck mich! »E-Mail? Welche E-Mail meinst du?« … kann ich nicht zu dem Klassentr…
»Die von Monica, wegen des Klassentreffens im August. Ich leite sie dir gleich weiter. Charlie, da müssen wir unbedingt hingehen. Ich kann’s gar nicht erwarten zu sehen, wie sich die ganzen Spinner verändert haben. Ob Carla abgenommen hat? Erinnerst du dich noch an James? Der mit der dicken Hornbrille?«
Stephen lacht so laut ins Telefon, dass ich den Hörer weghalten muss und mein Chef sich räuspert. Ich spreche leise weiter. »Keine Lust. Sind doch ohnehin alles Langweiler.«
Das Lachen am anderen Ende verstummt und plötzlich klingt Stephens Stimme unheimlich ernst. »Wir gehen dahin, Bloom. Verstanden? Denk nur dran, wer da sein
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