Männerküsse: homoerotische Geschichten (German Edition)
dir und du benimmst dich total daneben.
Peters Blick schweift durch den Raum und scheint die anderen Klassenkameraden zu begutachten. Doch bei keinem verweilt er länger als eine Sekunde, bis er wieder auf mir ruht. Neugierig sieht Peter mich an. Was jetzt? Etwas muss geschehen. Ich muss etwas sagen. Es gibt unendlich viele Dinge, die wir uns erzählen könnten. Dennoch schweigen wir. Aber es ist keine unangenehme Stille, sondern auf eine gewisse Art … vertraut?
»Hast du Lust«, fragt er und nickt mit dem Kopf zum Ausgang, »eine Runde Luft zu schnappen? Ist unglaublich warm hier drin.«
Ich zögere keine Sekunde und folge ihm. Erst, als wir hinaus in die warme Sommernacht treten und die Tür hinter uns zufällt, höre ich wieder die dumpfe Musik und die Stimmen der Unterhaltungen – die leiser werden, je weiter wir uns entfernen.
PETER
Sprich mit ihm. Sprich doch mit ihm. Nun sprich doch endlich mit ihm! »Ich habe die Sommer hier oben immer geliebt.«
Ist das alles, was ich zu bieten habe? Ich sollte lieber gleich wieder kehrtmachen und zurück auf meine Ranch fahren; die Tiere können meine bescheuerten Aussagen wenigstens nicht verstehen. Doch Charlie lächelt höflich und sieht mich schief von der Seite an.
»Ja, die Sommer waren die besten«, sagt er und kratzt sich am Hinterkopf. »Wir waren wunderbar jung und naiv und tummelten uns jeden Tag nach der Schule am See.«
Oh ja, ich erinnere mich an den See. Und an Charlies knappe Badehosen. »Wir waren sorglos und genossen unsere Freiheit. Die Zukunft war uns egal.« Okay, wenn ich nicht aufpasse, artet das hier noch in Melancholie, Depression und dem Nachtrauern an vergangene Zeiten aus. »Aber wir sollten solche Gedanken denen da drinnen überlassen.« Ich deute auf den Eingang des Gebäudes. »Hast du gesehen, wie Leland immer noch versucht, Cherry anzugraben? Nach all der Zeit?« Charlie hickst einmal und nickt nur stumm. »Und ich glaube, Mike hat – wie immer – härteren Stoff unter die Bowle gemischt.« Ich lache auf. »Als wenn die immer noch neunzehn wären. Ich befürchte, die werden nie erwachsen.«
Peter, halt die Klappe! So viel redest du doch sonst nicht. Charlie guckt schon ganz verstört. Du hast in der Schulzeit wie viele Wörter mit ihm gewechselt? Vielleicht achthundert, wenn man alle addiert. Achthundert mickrige Wörter. Wieso konnte ich nicht über meinen Schatten springen? Ach ja, ich weiß wieder wieso …
Wir spazieren über den Parkplatz. Rings um uns erstreckt sich der Woodscreek Park. Riesige Baumkronen heben sich vom niemals gänzlich dunklen Sommernachthimmel ab. Die Zikaden zirpen und die Insekten schwirren unter der zentralen Laterne umher, die den Platz in spärliches Licht taucht.
»Und? Wohin hat es dich verschlagen? Musstest du zur Army? Oder bist du zur Uni gegangen, wie du wolltest?« Für einen Moment erinnere ich mich an unser letztes Gespräch. Damals war es zu spät, um noch irgendetwas zu versuchen.
Charlie räuspert sich. Dreimal. Dann fängt er zögerlich an zu erzählen. Doch kurze Zeit später fließen die Worte so locker und schnell aus seinem Mund wie früher. Beinahe stolpert er über die eigene Zunge. Dazu dieser melodiöse Klang. Ich höre ihm immer noch gerne zu. Hin und wieder unterbricht er und schenkt mir ein Lächeln.
Auch ich erzähle ihm von meinem Leben. Von meinem kleinen Pferdehof, für den ich hart kämpfen musste und der nur eineinhalb Stunden von hier entfernt liegt. Wie immer lauscht er jedem meiner Worte, als wären sie Kostbarkeiten.
Runden drehen auf dem Parkplatz wird mir zu langweilig und so schlage ich einen anderen Weg ein – eine kleine Anhöhe hinauf, bis zum Rand des Waldes; nur so weit, dass wir noch etwas erkennen können. Vom Lärm des Lokals ist nichts mehr zu hören. Wir halten an und setzen uns ins Gras.
Nach einer Weile, in der nur das Rauschen der Wipfel zu hören ist, plaudere ich erneut drauf los – irgendetwas an Charlie verleitet mich dazu. »Als ich die Mail von Monica bekam, hab’ ich auf meinem Dachboden erst mal die alten Kartons durchstöbert. Unleserliche Klassenarbeiten, kindische Schmierereien auf alten Notizblöcken, zerfledderte Bücher – die ich hätte lesen sollen und die ich auch eigentlich hätte zurückgeben müssen –, unser Jahrbuch. Ich musste mir sogar einige Namen wieder ins Gedächtnis rufen. Aber nicht alle«, sage ich grinsend und hoffe, dass ich nicht zu plump bin.
Die blauen Augen schauen mich an; genauso aufmerksam wie
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