Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
erzählen, und wer zuerst sage, die Geschichte des anderen sei Lüge, der solle seinen Schimmel verlieren.
„Daß wir uns recht verstehen“, sagte der Edelmann, „wenn ich eine Geschichte erzähle und du behauptest, das wären Lügen, dann gibst du mir deinen Schimmel.“
„Ja“, sagte der Bauer, „wenn’s nicht andersrum kommt.“
„Na, dann will ich mal anfangen“, sagt der Edelmann. „Vor ein paar Jahren, da hab ich Rüben gepflanzt. Na, ich kümmere mich da nicht weiter drum. Als ich dann mal zu dem Rübenfeld komme, steht da doch auf dem Feld so ein kleiner Berg, und oben wächst was Grünes drauf. Und wie ich genau hinsehe, da ist das eine Rübe, so groß ist die doch gewachsen!“
„Oha“, sagt der Bauer. „Tja, so ’ne Rübe! Das ist aber eine Rübe gewesen!“ „Tja“, sagt der Edelmann, „wir konnten sie alle Mann zuerst gar nicht fortbewegen, zuletzt haben wir sie doch auf den Wagen raufgekriegt und haben vier Pferde davorgespannt, und die vermochten sie nicht fortzuziehen.“
„Oha, ja“, sagt der Bauer, „so ’ne Rübe, das ist aber eine Rübe gewesen!“
„Na“, fährt der Edelmann fort, „wir haben sie ja doch noch auf den Hof raufgekriegt. Aber was sollen wir nun mit dem Riesentier? Die eine große Sau hat immer davon gefressen. Auf einmal, da ist die Sau weg. Sie suchen sie und suchen sie und können sie nirgends finden. Und nach langer Zeit, wo war sie? Sie hatte sich in die Rübe hineingefressen, darin zwölf Ferkel geworfen und aufgezogen.“
„Oha, ja“, sagt der Bauer, „so ’ne Rübe, das ist aber eine Rübe gewesen!... So, nun ist das Geschichtenerzählen an mir.
Ja, vergangene Nacht träumte mir, ich wäre tot. Tja! Na, ich kam ja auch zum Himmel rauf. Tja! Und was der Petrus ist, der läßt mich dann zur Himmelstür rein. Je nun, ich kam also dazu, in den Himmel hineinzuschauen, und da ist doch rechter Hand eine Wiese, und da ist linker Hand auch eine Wiese. Auf der rechten Wiese hütet dem Herrn Grafen sein Vater die Schweine und auf der linken seine Mutter die Gänse.“
„Das sind Lügen!“ schreit der Edelmann.
„Tja, Lügen sollten’s ja auch sein“, lacht der Bauer. „Der Schimmel ist mein.“
Vom klugen Schneiderlein
Ein deutsches Märchen
Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz; kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu raten auf, und wenn er’s nicht erraten konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekanntmachen, wer ihr Rätsel löste, sollte sich mit ihr vermählen, und möchte kommen, wer da wollte.
Endlich fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei ältesten, sie hätten so manchen feinen Stich getan und hätten’s getroffen, da könnt’s ihnen nicht fehlen, sie müßten’s auch hier treffen; der dritte war ein kleiner unnützer Springinsfeld, der nicht einmal sein Handwerk verstand, aber meinte, er müßte dabei Glück haben, denn woher sollt’s ihm sonst kommen.
Da sprachen die zwei andern zu ihm: „Bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem bißchen Verstand nicht weit kommen.“ Das Schneiderlein ließ sich aber nicht irremachen und sagte, es hätte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und wollte sich schon helfen, und ging dahin, als wäre die ganze Welt sein.
Da meldeten sich alle drei bei der Prinzessin und sagten, sie sollte ihnen ihre Rätsel vorlegen, es wären die rechten Leute angekommen, die hätten einen feinen Verstand, daß man ihn wohl in eine Nadel fädeln könnte.
Da sprach die Prinzessin: „Ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was für Farben ist das?“
„Wenn’s weiter nichts ist“, sagte der erste, „es wird schwarz und weiß sein, wie Tuch, das man Kümmel und Salz nennt.“
Die Prinzessin sprach: „Falsch geraten, antworte der zweite.“
Da sagte der zweite: „Ist’s nicht schwarz und weiß, so ist’s braun und rot, wie meines Herrn Vaters Bratenrock.“
„Falsch geraten“, sagte die Prinzessin, „antworte der dritte, dem seh ich’s an, der weiß es sicherlich.“
Da trat das Schneiderlein keck hervor und sprach: „Die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf, und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzessin das hörte, ward sie blaß und wäre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte fest geglaubt, das würde kein Mensch auf der Welt herausbringen.
Als ihr das Herz wiederkam, sprach sie: „Damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins tun,
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