Märchen, Der Falke unter dem Hut ab 9 Jahre
Scholaren waren schon ausgewachsene Burschen mit Bart, und eines Tages ließen sie sich einfallen, in die weite Welt hinauszuziehen und ihr Glück zu versuchen. Sie wanderten also, wanderten weit und gelangten in ein Dorf. Ein Bauer kam ihnen entgegen, und einer der Scholaren sprach ihn keck an: „Wie lange ist es noch bis zum Jüngsten Tag, Väterchen?“
„Um einen Tag weniger als gestern, mein Herr“, sagte der Bauer und nahm ehrerbietig den Hut ab.
„Und wo ist die Tugend zu Hause?“ fragte der Scholar weiter.
„Blumen gedeihen auch im Unkraut.“
„Gut geantwortet!“ rief der Scholar. „Noch eine Frage will ich Euch stellen. Was hat der Bauer unter dem Hut?“
„Kommt mit in die Schenke, Ihr Herren, dort will ich es Euch sagen.“
Die Scholaren sahen einander an. Keiner hatte einen Pfifferling in der Tasche. Trotzdem gingen sie mit in die Schenke. Der Bauer aber wollte ihnen für die dritte Frage, die voller Bosheit gewesen war, eine Lehre erteilen. So flüsterte er mit dem Schankwirt und bestellte Wein, doch mehr als fünf Gulden dürfe die Zeche nicht ausmachen.
Die drei setzten sich an einen Tisch, der Schankwirt brachte Wein, sie tranken und wurden guter Laune. Als sie aber für fünf Gulden Wein getrunken hatten, schenkte der Wirt keinen mehr aus, sondern sagte: „Es ist Zeit, meine Herren, die Zeche zu bezahlen.“
Zahlen, ja, wovon aber? Die Scholaren kramten in den Taschen, drehten sie um und um, es half nichts, nicht einmal ein Kupfergroschen kam zum Vorschein. „Na, dann wird eben dieser Hut die Zeche begleichen“, erklärte der Bauer. Er nahm den Hut vom Kopf, schüttelte ihn, und ein blanker Taler fiel heraus. „Seht, Ihr Herren, das hat der Bauer unter dem Hut.“
Ei, da rissen die Scholaren die Augen auf, und sie hätten sich den Hut gern angeeignet. Was wären sie doch für gemachte Leute, wenn dieser Hut ihnen gehörte! Sie brauchten ihn nur zu schütteln, und die klingenden Taler würden herausfallen.
Sie nahmen den Bauern ins Gebet, er solle ihnen den Hut verkaufen. Was immer er dafür verlange, wollten sie herbeischaffen, und wenn sie es aus dem Boden stampfen müßten.
„Meinetwegen“, sagte der Bauer, „ich bin ohnehin schon ein alter Mann. Fünfhundert Gulden reichen mir bis zu meinem Tode. Dafür soll der Hut Euch gehören, Ihr Herren.“
Die Scholaren gingen zu dem Gutsherrn und baten ihn gegen einen Schuldschein um fünfhundert Gulden. Wer weiß, was dem Gutsherrn einfiel, jedenfalls gab er ihnen das Geld, und sie zahlten es dem Bauern in die Hand. Frisch und froh zogen die Scholaren weiter, und als sie das nächste Dorf erreichten, kehrten sie in der Schenke ein, bestellten allerhand Leckeres, aßen und tranken und ließen es sich gut gehen.
„Wein her, Wirt! Wein auf den Tisch!“
Als es zum Zahlen kam, schüttelten sie den Hut, doch nur ein einziger Taler fiel heraus, wo fünf nötig gewesen wären. Was war da zu machen? Zahlen konnten sie nicht. Sie blieben also bei dem Wirt, um die Schuld abzuarbeiten. Als sie endlich wieder loskamen, gingen sie geradenwegs auf das Dorf zu, wo sie von dem Bauern den Hut gekauft hatten. Nach einiger Zeit erreichten sie einen großen Wald, und siehe da, der Bauer arbeitete gerade dort. Schon von weitem erblickte er die Scholaren, besann sich nicht lange und begann mit einer Säge, die er bei sich hatte, den Stamm einer großen Eiche anzusägen. Dann hob er ein Geschrei an: „Helft, kommt schnell herbei! Der Baum stürzt auf mich!“ Und er stemmte die Schulter kräftig gegen den Baum, als hielte er ihn wirklich im Sturze auf.
Die Scholaren kamen gerannt, und der Bauer sagte zu ihnen: „Ach, Ihr Herren, Gott selbst hat Euch hergeführt. Denn wisset, unter diesem Baum ist ein Schatz. Um ihn leichter heben zu können, wollte ich vorerst den Baum absägen. Doch meine Säge griff zu tief in den Stamm. Wenn ich mich von der Stelle rühre, stürzt er auf mich. Stellt Euch hierhin und haltet den Baum fest. Ich will aus dem Dorf ein Seil holen und damit versuchen, den Stamm westwärts zu Fall zu bringen, denn der Schatz liegt ostwärts.“
Die Scholaren hatten den Bauern nicht erkannt, sie stemmten sich gegen den Baum, der Bauer aber ging seiner Wege.
Die Scholaren warteten bis Mittag, dann bis zur Vesperzeit und auch noch bis zum Abendbrot. Sie drückten sich fast die Seele aus dem Leibe, damit der Baum ja nicht auf sie stürze.
Bis ans Ende aller Tage konnten sie schließlich nicht warten. Mit einem plötzlichen Satz
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