Maerchen Fuer Kinder
verheiraten und des Nachbarkönigs schöne Tochter haben, erzählte man, deswegen rüstete er ein prächtiges Schiff aus. Der Prinz reist, um des Nachbarkönigs Länder zu besichtigen, heißt es wohl, aber es geschieht, um des Nachbarkönigs Tochter zu sehen, ein großes Gefolge soll ihn begleiten; aber die kleine Seejungfrau schüttelte das Haupt und lächelte; sie kannte des Prinzen Gedanken weit besser, als die andern. »Ich muß reisen!« hatte er zu ihr gesagt. »Ich muß die schöne Prinzessin sehen, meine Eltern verlangen es, aber sie wollen mich nicht zwingen, sie als meine Braut heimzuführen. Ich kann sie nicht lieben, sie gleichet nicht dem schönen Mädchen im Tempel, der Du ähnlich bist; sollte ich einst eine Braut wählen, so würdest Du es eher sein, mein liebes, gutes Findelkind mit den sprechenden Augen!« Und er küßte sie auf ihren roten Mund, spielte mit ihren schönen, langen Haaren und legte sein Haupt an ihr Herz, sodaß dieses von Menschenglück und einer unsterblichen Seele träumte.
»Du fürchtest doch das Meer nicht, mein stummes Kind?« sagte er, als sie auf dem prächtigen Schiffe standen, welches ihn nach dem Lande des Nachbarkönigs führen sollte, und er erzählte ihr vom Sturm und von der Windstille, von seltsamen Fischen in der Tiefe und was die Taucher dort gesehen, und sie lächelte bei seiner Erzählung, sie wußte ja besser, als sonst jemand, auf dem Grunde des Meeres Bescheid.
In der mondhellen Nacht, wenn sie alle bis auf den Steuermann, der am Ruder stand, schliefen, saß sie an dem Bord des Schiffes und starrte durch das klare Wasser hinunter, und sie glaubte ihres Vaters Schloß zu erblicken; hoch auf demselben stand die alte Großmutter mit der Silberkrone auf dem Haupte und starrte durch die reißenden Ströme nach des Schiffes Kiel empor. Da kamen ihre Schwestern über das Wasser hervor, und starrten sie traurig an und rangen ihre weißen Hände; sie winkte ihnen zu, lächelte und wollte erzählen, daß es ihr gut gehe, daß sie glücklich sei, aber der Schiffsjunge näherte sich ihr und die Schwestern tauchten unter, sodaß er glaubte, das Weiße, was er gesehen, sei nur Schaum auf der See gewesen.
Am nächsten Morgen segelte das Schiff in den Hafen von des Nachbarkönigs prächtiger Stadt. Alle Kirchenglocken läuteten und von den hohen Türmen wurden die Posaunen geblasen, während die Soldaten mit fliegenden Fahnen und blitzenden Bajonetten in Reihe und Glied dastanden. Jeder Tag führte ein neues Fest mit sich. Bälle und Gesellschaften folgten einander, aber die Prinzessin war noch nicht da, sie werde weit davon entfernt in einem Tempel erzogen, sagten sie, dort lerne sie alle königlichen Tugenden. Endlich traf sie ein.
Die kleine Seejungfrau war begierig, ihre Schönheit zu sehen, und sie mußte anerkennen, daß sie eine lieblichere Erscheinung noch nie gesehen habe. Die Haut war fein und klar und hinter den langen, dunklen Augenwimpern lächelten ein paar schwarzblaue, treue Augen.
»Du bist es,« sagte der Prinz, »Du, die mich gerettet hat, als ich einer Leiche gleich an der Küste lag!« Und er drückte seine errötende Braut in seine Arme. »O, ich bin allzuglücklich!« sagte er zur kleinen Seejungfrau. »Das Beste, was ich je hoffen durfte, ist mir in Erfüllung gegangen. Du wirst Dich über mein Glück freuen, denn Du meinst es am besten mit mir von ihnen allen!« Die kleine Seejungfrau küßte seine Hand, und es kam ihr schon vor, als fühle sie ihr Herz brechen. Sein Hochzeitsmorgen sollte ihr ja den Tod geben und sie in Schaum auf dem Meere verwandeln.
Alle Kirchenglocken läuteten, die Herolde ritten in den Straßen umher und verkündeten die Verlobung. Auf allen Altären brannte duftendes Öl in köstlichen Silberlampen. Die Priester schwangen die Räucherfässer, und Braut und Bräutigam reichten einander die Hand und erhielten den Segen des Bischofs. Die kleine Seejungfrau stand in Seide und Gold und hielt die Schleppe der Braut, aber ihre Ohren hörten die festliche Musik nicht, ihr Auge sah die heilige Handlung nicht, sie gedachte ihrer Todesnacht, und alles dessen, was sie in dieser Welt verloren hatte.
Noch an demselben Abend gingen die Braut und der Bräutigam an Bord des Schiffes; die Kanonen donnerten, alle Flaggen wehten und mitten auf dem Schiffe war ein köstliches Zelt von Gold und Purpur und mit den schönsten Kissen errichtet, da sollte das Brautpaar in der stillen, kühlen Nacht schlafen.
Die Segel schwollen im Winde, und
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