Maerchen Fuer Kinder
Gerichtsrat. »Was ist das doch? Was ist das doch?«
Er kehrte wieder um in der festen Überzeugung, daß er krank sei; indem er in die Straße zurückkam, betrachtete er die Häuser etwas genauer, die meisten waren nur von Fachwerk und viele hatten nur ein Strohdach.
»Nein, mir ist gar nicht wohl,« seufzte er, »und ich trank doch nur ein Glas Punsch, aber ich kann ihn nicht vertragen; und es war auch ganz und gar verkehrt, uns Punsch und warmen Lachs zu geben, das werde ich der Frau auch sagen. Ob ich wohl wieder zurückkehre und sage, wie mir zu Mute ist? Aber das sieht lächerlich aus und es ist die Frage, ob sie noch wach sind!«
Er suchte nach dem Hause, aber es war gar nicht zu finden.
»Es ist doch erschrecklich, ich kann die Oststraße nicht wieder erkennen, nicht ein Laden ist da! Alte, elende, verfallene Häuser erblicke ich, als ob ich in Roeskilde oder Ringstedt wäre! Ach, ich bin krank! Es nützt nichts, ängstlich zu sein! Aber wo in aller Welt ist des Stadtrats Haus? Es ist nicht mehr dasselbe, aber dort drinnen sind noch Leute auf; ach, ich bin sicher krank!«
Nun stieß er auf eine halb offene Thür, wo das Licht durch eine Spalte fiel. Es war eine Herberge jener Zeit, eine Art von Bierhaus. Die Stube hatte das Ansehen einer holländischen Diele; eine Anzahl Leute, bestehend aus Schiffern, Kopenhagener Bürgern und ein paar Gelehrten, saßen hier im eifrigsten Gespräch bei ihren Krügen und betrachteten den Eintretenden nur wenig.
»Um Entschuldigung,« sagte der Gerichtsrat zu der Wirtin, die ihm entgegenkam, »ich bin sehr unwohl geworden, wollen sie mir nicht einen Wagen nach Christianshafen hinaus besorgen lassen?«
Die Frau betrachtete ihn und schüttelte mit dem Kopfe; darauf redete sie ihn in deutscher Sprache an. Der Gerichtsrat nahm an, daß sie der dänischen Zunge nicht mächtig sei und brachte deshalb seinen Wunsch auf Deutsch an. Dies im Verein mit seiner Kleidung bestärkte die Frau darin, daß er ein Ausländer sei; daß er sich unwohl befinde, begriff sie bald, und brachte ihm deshalb einen Krug Wasser, freilich hatte es etwas vom Seewasser, wiewohl es draußen aus dem Brunnen geschöpft war.
Der Gerichtsrat stützte sein Haupt in die Hand, holte tief Atem und grübelte über alles Seltsame rings um sich her nach.
»Ist das ›Der Tag‹ 1 von heute Abend?« fragte er ganz mechanisch, indem er sah, wie die Frau ein großes Stück Papier fortlegte.
Sie verstand nicht, was er damit meinte, reichte ihm aber das Blatt, es war ein Holzschnitt, welcher eine Lufterscheinung zeigte, die in der Stadt Köln gesehen worden war.
»Das ist sehr alt!« sagte der Gerichtsrat und wurde durch dieses vergilbte Blatt ganz aufgeräumt. »Wie sind Sie doch zu diesem seltenen Blatt gelangt? Das ist höchst merkwürdig, obgleich das Ganze eine Fabel ist! Man erklärt dergleichen Lufterscheinungen dadurch, daß es Nordlichter sind, die man erblickt hat; wahrscheinlich entstehen sie durch die Elektrizität!«
Die, welche ihm zunächst saßen und seine Rede hörten, sahen ihn erstaunt an und einer von ihnen erhob sich, nahm ehrerbietig den Hut ab und sagte mit der ernsthaftesten Miene: »Ihr seid sicher ein höchst gelehrter Mann.«
»O, nein!« erwiderte der Gerichtsrat, »ich kann nur von einem und dem andern mitsprechen, was man ja verstehen muß!«
»Bescheidenheit ist eine schöne Tugend!« sagte der Mann. »Übrigens muß ich zu Eurer Rede sagen: ich habe eine andere Ansicht, doch will ich hier gern mein Urteil zurückhalten!«
»Darf ich wohl fragen, mit wem ich das Vergnügen habe, zu sprechen?« fragte der Gerichtsrat.
»Ich bin Magister der heiligen Schrift!« erwiderte der Mann.
Diese Antwort war dem Gerichtsrat genügend, der Titel entsprach hier der Tracht. »Das ist sicher,« dachte er, »ein alter Dorfschulmeister, ein naturwüchsiger Mann, wie man sie zuweilen oben in Jütland treffen kann.«
»Hier ist zwar eigentlich nicht der Platz zu gelehrten Gesprächen,« begann der Mann, »doch bitte ich, daß Ihr Euch herablasset, zu sprechen! Ihr seid sicher in den Alten sehr belesen!«
»O, ja wohl!« antwortete der Rat, »ich lese gern alte, nützliche Schriften, habe aber auch die neueren recht gern, mit Ausnahme der ›Alltagsgeschichten‹, deren wir in Wirklichkeit genug haben!«
»Alltagsgeschichten?« fragte unser Magister.
»Ja, ich meine diese neuen Romane, die man jetzt hat.«
»O,« lächelte der Mann, »sie enthalten doch vielen Witz und werden bei Hofe gelesen,
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