Maerchen Fuer Kinder
während das Herz sang, was wenigstens schon ein Dichter, den wir kennen, in der Schweiz gesungen, was er aber bis jetzt noch nicht hat drucken lassen:
Hier ist's schön, so frei und still,
Montblanc seh' ich, den steilen,
Wenn nur das Geld ausreichen will,
Ach, dann ist hier gut weilen!
Groß, ernst und dunkel war die ganze Natur rings um ihn.
Die Tannenwälder erschienen wie Haidekraut auf den hohen Felsen, deren Gipfel im Wolkennebel verborgen waren; nun begann es zu schneien, der kalte Wind blies.
»Uh!« seufzte er, »wären wir doch auf der andern Seite der Alpen, dann wäre es Sommer und ich hätte Geld auf meinen Wechsel erhoben; die Angst, die ich für diesen fühle, macht, daß ich die Schweiz nicht genieße, o, wäre ich doch schon auf der andern Seite!«
Und da war er auf der andern Seite; mitten in Italien war er, zwischen Florenz und Rom. Der Trasimener See lag in der Abendbeleuchtung, wie flammendes Gold, zwischen den dunkelblauen Bergen. Hier, wo Hannibal den Flaminius schlug, hielten sich nun die Weinranken friedlich an den grünen Fingern; liebliche, halbnackte Kinder hüteten eine Herde kohlschwarzer Schweine unter einer Gruppe duftender Lorbeerbäume am Wege. Könnten wir dieses Gemälde richtig wiedergeben, so würden alle jubeln: »Herrliches Italien!« Aber das sagte keineswegs der Theolog oder ein einziger der Reisegefährten im Wagen.
Giftige Fliegen und Mücken flogen bei ihnen zu Dutzenden in den Wagen hinein, vergebens schlugen sie mit einem Myrtenzweige um sich, die Fliegen stachen dennoch; es war nicht ein Mensch im Wagen, dessen Gesicht nicht von den blutigen Bissen angeschwollen gewesen wäre. Die armen Pferde sahen wie tot aus, die Fliegen saßen in großen Scharen auf denselben, und nur augenblicklich half es, daß der Kutscher hinabstieg und die Tiere abschabte. Nun sank die Sonne unter, eine kurze, aber eisige Kälte ging durch die ganze Natur, es war gleich des Grabgewölbes kaltem Luftzug nach einem heißen Sommertage, aber ringsumher erhielten Berge und Wolken den sonderbaren grünen Ton, welchen wir auf einzelnen alten Gemälden finden, und, wenn wir ein solches Farbenspiel nicht im Süden erlebt haben, für unnatürlich halten. Es war ein herrliches Schauspiel, aber – der Magen war leer, der Körper ermüdet, alle Sehnsucht des Herzens drehte sich um ein Nachtlager, aber wie wird dies ausfallen? Man blickte weit inniger danach, als nach der schönen Natur.
Der Weg ging durch einen Olivenwald, es war, als führe er daheim zwischen knotigen Weiden, hier lag das einsame Wirtshaus. Ein Dutzend bettelnder Krüppel hatte sich vor demselben gelagert; der rascheste derselben sah aus, um einen Ausdruck von Marryat zu gebrauchen, wie »der älteste Sohn des Hungers, der das Alter seiner Volljährigkeit erreicht hat«, die andern waren entweder blind, hatten vertrocknete Beine und krochen auf den Händen, oder zeigten abgezehrte Arme mit fingerlosen Händen. Das war das Elend recht aus den Lumpen gezogen. »Erbarmen, meine Herren!« seufzten sie und streckten die kranken Glieder vor. Die Wirtin selbst mit bloßen Füßen, ungekämmten Haaren und nur mit einer schmutzigen Blouse bedeckt, empfing die Gäste. Die Thüren waren mit Bindfaden zusammengebunden, der Fußboden in den Zimmern bot ein halbaufgewühltes Pflaster von Mauersteinen dar; Fledermäuse flogen unter der Decke hin, und der Gestank hier drinnen – –
»Decken Sie unten im Stall!« sagte einer der Reisenden, »dort unten weiß man doch, was man einatmet!«
Die Fenster wurden geöffnet, damit etwas frische Luft hereindringen könnte, aber schneller als diese kamen die verdorrten Arme und das ewige Jammern: »Erbarmen!« herein. Auf den Wänden standen viele Inschriften, die Hälfte war gegen das schöne Italien.
Das Essen wurde aufgetragen; es gab eine Suppe von Wasser, gewürzt mit Pfeffer und ranzigem Öl. Letzteres spielte die Hauptrolle beim Salat; verdorbene Eier und gebratene Hahnekämme waren die Prachtgerichte, selbst der Wein hatte einen Beigeschmack, er war eine wahre Arznei.
Zur Nacht wurden die Koffer gegen die Thür aufgestellt; einer der Reisenden hatte die Wache, während die andern schliefen; der Theolog war der Wachthabende; o, wie schwül war es hier drinnen! die Hitze drückte, die Mücken summten und stachen, die Armen draußen jammerten im Traum.
»Ja, reisen ist schon gut,« sagte der Theolog, »hätte man nur keinen Körper; könnte dieser ruhen und der Geist dagegen fliegen.
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