Maerchen Fuer Kinder
prügelte noch stärker, als das vorige Mal, denn nun hatte er zwei Ruten genommen; niemand bekam ihn zu sehen, und er hörte alles. Die Prinzessin wollte an ihren Handschuh denken, und das erzählte er wieder dem Johannes, gerade als ob es ein Traum sei; so konnte derselbe richtig raten, und es verursachte eine große Freude auf dem Schlosse. Der ganze Hof schoß Purzelbäume, gerade so wie er es den König das erste Mal hatte machen sehen; aber die Prinzessin lag auf dem Sopha und wollte nicht ein einziges Wort sagen. Nun kam es darauf an, ob Johannes das dritte Mal richtig raten konnte. Glückte es, so sollte er ja die schöne Prinzessin haben und nach dem Tode des alten Königs das ganze Königreich erben; riet er falsch, so sollte er sein Leben verlieren und der Zauberer würde seine schönen, blauen Augen essen.
Den Abend vorher ging Johannes zeitig zu Bette, betete sein Abendgebet und schlief dann ruhig, aber der Reisekamerad band seine Flügel an den Rücken, schnallte den Säbel an seine Seite, nahm alle drei Ruten mit sich, und so flog er nach dem Schlosse.
Es war ganz finstere Nacht; es stürmte so, daß die Dachsteine von den Häusern flogen, und die Bäume drinnen im Garten, wo die Gerippe hingen, sich gleich dem Schilfe vom Sturmwind bogen; es blitzte jeden Augenblick, und der Donner rollte gerade, als ob es nur ein einziger Schlag sei, der die ganze Nacht währte. Nun ging das Fenster auf, und die Prinzessin flog heraus; sie war so bleich wie der Tod, aber sie lachte über das böse Wetter, meinte, es sei noch nicht stark genug, und ihr weißer Mantel wirbelte in der Luft herum gleich einem großen Schiffssegel. Aber der Reisekamerad peitschte sie mit drei Ruten, daß das Blut auf die Erde tröpfelte und sie zuletzt kaum weiter fliegen konnte. Endlich kam sie doch nach dem Berge.
»Es hagelt und stürmt,« sagte sie; »nie bin ich in solchem Wetter aus gewesen.«
»Man kann auch des Guten zu viel haben,« sagte der Zauberer. Nun erzählte sie ihm, daß Johannes auch das zweite Mal richtig geraten habe; wenn er dasselbe morgen thue, so habe er gewonnen, und sie könne nie mehr nach dem Berge hinauskommen, werde nie mehr solche Zauberkünste wie früher machen können; deshalb war sie ganz betrübt.
»Er soll es nicht raten können!« sagte der Zauberer. »Ich werde schon etwas erdenken, was er sich nie gedacht hat, oder er müßte ein größerer Zauberer sein, als ich. Aber nun wollen wir lustig sein!« Und damit faßte er die Prinzessin bei beiden Händen und sie tanzten mit allen den kleinen Kobolden und Irrlichtern herum, die in dem Zimmer waren, die roten Spinnen sprangen an den Wänden ebenso lustig auf und nieder; es sah aus, als ob Feuerblumen sprühten. Die Eulen schlugen auf die Trommel, die Heimchen pfiffen und die schwarzen Heuschrecken bliesen die Mundharmonika. Es war ein lustiger Ball!
Als sie nun lange genug getanzt hatten, mußte die Prinzessin nach Hause, sonst wäre sie im Schlosse vermißt worden; der Zauberer sagte, daß er sie begleiten wolle, dann seien sie doch noch unterwegs beisammen.
Dann flogen sie im bösen Wetter davon, und der Reisekamerad schlug seine drei Ruten auf ihren Rücken entzwei; nie war der Zauberer in solchem Hagelwetter aus gewesen. Draußen vor dem Schlosse sagte er der Prinzessin lebewohl und flüsterte ihr zugleich zu: »Denke an meinen Kopf!« Aber der Reisekamerad hörte es wohl und gerade in dem Augenblicke, als die Prinzessin durch das Fenster in ihr Schlafzimmer schlüpfen und der Zauberer wieder umkehren wollte, ergriff er ihn an seinem langen, schwarzen Barte und hieb mit seinem Säbel seinen häßlichen Zauberkopf gerade bei den Schultern ab, sodaß der Zauberer ihn nicht einmal selbst zu sehen bekam; den Körper warf er hinaus in den See zu den Fischen, doch den Kopf tauchte er nur in das Wasser und band ihn dann in sein Taschentuch, nahm ihn mit nach dem Wirtshause und legte sich schlafen.
Am nächsten Morgen gab er Johannes das Taschentuch und sagte ihm dabei, daß er es nicht eher aufbinden dürfe, als bis die Prinzessin frage, woran sie gedacht habe.
Es waren so viele Menschen in dem großen Saale auf dem Schlosse, daß sie so dicht standen wie Radieschen, die in ein Bündel zusammengeknüpft sind. Der Rat saß in seinen Stühlen mit den weichen Kopfkissen, und der alte König hatte neue Kleider an, die goldene Krone und Scepter waren poliert, es sah ganz feierlich aus; aber die Prinzessin war ganz bleich und hatte ein kohlschwarzes
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