Maerchenerzaehler
an«, sagte Micha. »Und dass du sowieso nicht kommst und …«
»Micha«, sagte Abel. »Soll ich jetzt anfangen oder nicht?«
Da sagte Micha: »Doch«, und Anna sagte: »Ja«, und irgendwie gelang es ihr, durch Handzeichen einen Tee zu bestellen, und Abel, der Märchenerzähler, öffnete die Tür zu einem weiten Meer und einem grünen Schiff mit unbekanntem Namen.
»Das schwarze Schiff mit seinen schwarzen Segeln verdunkelte den Himmel hinter ihnen mehr und mehr.
›Irgendwann wird sein Schatten die Sonne ausschließen‹, sagte die kleine Königin, und in diesem Moment rief der Leuchtturmwärter, der im Ausguck saß:
›Ich sehe eine Insel! Genau kann ich sie nicht erkennen, denn meine Brille ist ein wenig beschlagen …‹
Kurz darauf sahen auch die kleine Königin und Frau Margarete die Insel. Und dann – dann rochen sie sie. Ein Duft von tausend Blüten hüllte das grüne Schiff mit einem Mal ein, leise und unfassbar. Und der kleinen Königin wurde leicht und froh um ihr diamantenes Herz. Das schwarze Schiff schien in die Ferne zu rücken.
Als sie der Insel ganz nahe waren, begann es zu schneien. Der Leuchtturmwärter hatte sich eine Pfeife angesteckt und plötzlich zog die Pfeife nicht mehr.
›Sie ist verstopft von Schnee‹, sagte er, ›aber nein! Sie ist verstopft von Rosenblättern! Es schneit Rosenblätter.‹ Da sah auch die kleine Königin, dass es keine Flocken waren, die auf die Decksplanken fielen, sondern zarte Blütenblätter, weiß, rot und rosa. Sie bedeckten bald das ganze Schiff, und die kleine Königin ging über einen Teppich aus Rosenblättern, um die Leinen klarzumachen.
›Kleine Königin‹, sagte der Seelöwe, der aus einer Welle auftauchte, auf der lauter Rosenblätter schwammen. ›Bist du sicher, dass du hier anlegen willst?‹
›Natürlich!‹, rief die kleine Königin. ›Sieh nur, wie schön diese Insel ist! Es wachsen lauter Rosenbüsche darauf und alle blühen! Diese Insel ist viel schöner, als meine kleine Insel es war!‹
Da seufzte der Seelöwe tief. Die kleine Königin mit Frau Margarete in ihrer Tasche und der Leuchtturmwärter gingen über einen Steg aus Rosenholz an einen weißen Strand. Hinter ihnen kam der silbergraue Hund mit den goldenen Augen aus dem Wasser und schüttelte sich. Dann schnupperte er, bellte dreimal laut und böse in Richtung der Insel und stürzte sich wieder ins Wasser.
›Dem scheint es hier ja nicht zu gefallen‹, sagte der Leuchtturmwärter.
›Aber mir, mir gefällt es!‹, rief die kleine Königin und lief auf ihren bloßen Füßen den Weg hinter dem Strand hinauf, der durch ein Spalier aus roten Rosen führte. Der Leuchtturmwärter folgte ihr, nachdenklich seine wieder entstopfte Pfeife rauchend. Hinter dem Rosenspalier stand eine Gruppe von Leuten und sah ihnen entgegen.
›Willkommen auf der Roseninsel‹, sagte einer von ihnen.
›Wir haben selten Besuch‹, sagte ein anderer. ›Wer seid ihr?‹
›Ich bin die kleine Klippenkönigin‹, antwortete die Königin, ›aber mein Königreich ist untergegangen. Das in meiner Tasche ist Frau Margarete, aber es gibt keinen Herrn Margarete, und dies ist der Leuchtturmwärter, aber sein Leuchtturm leuchtet nicht mehr. Und ihr?‹
›Wir sind die Rosenleute‹, antworteten die Rosenleute, und das sah man eigentlich von selbst. Denn alle, Männer wie Frauen, waren in nichts gekleidet als blühende Rosenranken. Ihre Haut war hell und ein wenig rosig an den Wangen und ihr Haar war dunkel wie die Stämme der Rosenbüsche. Ihre Augen waren freundlich und verträumt.
›Kommt, ihr werdet hungrig und durstig sein‹, sagte ein Mädchen, und die Rosenleute führten die kleine Königin ins Innere der Insel, zu einem Pavillon aus Rosenbüschen. Darin stand ein großer Tisch und darauf hatten die Rosenleute Butterbrote mit Rosenmarmelade und Tee aus Rosenblättern angerichtet.
›Oh, wie wunderwunderschön!‹, rief die kleine Königin und drückte Frau Margarete vor lauter Freude so sehr, dass sie ein ganz zerknautschtes Gesicht machte. Der Leuchtturmwärter setzte sich auf einen der Stühle, die aus Rosenranken bestanden, und stand gleich wieder auf.
›Die piken!‹, sagte er.
Das bedauerten die Rosenleute sehr. Sie selbst spürten die Dornen nicht. Sie brachten weiße Kissen, gefüllt mit Rosenblättern, und darauf ließ es sich gut sitzen. Aber nachdem sie genug Brote mit Rosenmarmelade gegessen und genug Tee getrunken hatte, spürte die kleine Königin auf einmal, dass ihre Füße
Weitere Kostenlose Bücher