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Maerchenerzaehler

Maerchenerzaehler

Titel: Maerchenerzaehler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonia Michaelis
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schmerzten. Der Leuchtturmwärter trug Schuhe, aber sie war barfuß bis zum Pavillon gegangen. Als sie jetzt ihre Fußsohlen ansah, waren sie übersät mit brennenden roten Punkten.
    ›Oh nein‹, sagte das Rosenmädchen, das schon zuvor mit ihnen gesprochen hatte. ›Das waren die Dornen auf dem Weg! Manchmal strecken die Büsche ihre Äste und wachsen auf dem Boden weiter … man sieht es nicht unter den Rosenblättern, die alles bedecken …‹
    Und die Rosenleute holten ein Paar wunderschöne weiße Stiefelfür die kleine Königin, aus vielen, vielen Lagen weißer Seide. ›Das ist die Seide der Rosenraupe‹, erklärte das Mädchen.
    ›So schöne Stiefel‹, sagte die kleine Königin, ›habe ich noch nie gesehen.‹ Was in jedem Fall stimmte, denn sie hatte überhaupt noch nie Stiefel gesehen, ihr ganzes Leben nicht.
    Die anderen Rosenleute zerstreuten sich nach dem Tee, sie gingen die Büsche beschneiden und Ranken hochbinden. Nur das eine Rosenmädchen blieb bei der kleinen Königin und dem Leuchtturmwärter. Sie führte sie einmal über die ganze Insel, um ihnen alles zu zeigen – die Häuser aus Rosenholz und den Badesee, der statt voll Wasser voller Rosenblätter war.
    ›Aber es ist doch ein wenig langweilig‹, sagte das Rosenmädchen. ›Nur überall Rosen, weißt du? Ich habe mich gefreut, dass du kommst.‹
    ›Ich wünschte, ich könnte hierbleiben‹, sagte die kleine Königin. ›Aber es geht nicht. Die Jäger auf ihrem schwarzen Schiff werden kommen und mich auch hier zwischen den Rosenbüschen finden, egal, wie tief ich mich unter ihren Blättern verkrieche …‹
    ›Aber nein‹, sagte das Rosenmädchen. ›Das werden sie nicht. Steig nur dort hinauf auf den Ausguck, kleine Königin, dann siehst du das schwarze Schiff. Es liegt draußen vor Anker, weit vor der Insel. Es kann nicht näher heran. Der Duft unserer Rosen hält es auf.‹
    Da stieg die kleine Königin auf den Ausguck – der Leuchtturmwärter half ihr die hölzerne Leiter hinauf –, und sie sah das schwarze Schiff weit draußen vor Anker liegen. Aber sie sah noch etwas. Sie sah eine schmale, dunkle Barke auf den Strand zurudern, eine Barke, in der ein Mann in ärmlicher Kleidung saß. Er warf einen sehnsuchtsvollen Blick auf die Roseninsel, aber es gelang ihm nicht, die Barke alleine näher an Land zu bringen.
    ›Da ist jemand‹, sagte die kleine Königin, ›der meine Hilfe braucht!‹
    Sie kletterte rasch die Leiter hinunter und rannte bis zum Strand, so schnell sie konnte. Denn sie hatte ein gutes Herz, ein Herz aus Diamant.
    Als sie im weißen Sand stand, sah sie, dass die Barke wunderschön war: Das dunkle Holz an ihrem Rand wand sich in geschnitzten Blumen und Schnörkeln und der Bug trug eine goldene Spitze. Seltsam, dachte die kleine Königin, wie wenig das schöne Boot zu der alten Trainingsjacke des Mannes passte, der es steuerte.
    ›Soll ich Ihnen helfen?‹, rief die kleine Königin. ›Zu zweit können wir das Boot sicher an Land ziehen!‹
    ›Ich glaube nicht‹, sagte der Mann traurig. ›Diese Insel hat etwas gegen mich und mein Boot. Es ist, als wollte die Strömung mich von hier vertreiben … es muss wohl ausreichen, wenn ich in der Barke sitze und sie von hier aus ansehe.‹ Plötzlich seufzte er tief. ›Es wäre schöner, wenn ich noch jemanden hätte, der mit mir hier sitzen könnte …‹
    ›Dann nimm mich mit!‹, rief die kleine Königin und watete rasch ins Wasser hinaus. ›Nur ein Stück am Ufer entlang!‹
    ›Oh ja, komm mit!‹, sagte der Mann glücklich. Und er half der kleinen Königin an Bord. ›Hier, setz dich auf diese Sitzbank …‹ Er strich sich über den blonden Schnauzbart und krempelte die Ärmel hoch und dann begann er zu rudern. Wie ein Pfeil schoss das Boot am Ufer entlang, aber ein wenig auch vom Ufer weg. ›Das ist die Strömung‹, sagte der Mann, ›die uns davontragen will …‹
    ›Kleine Königin!‹, rief da jemand vom Ufer. ›Kleine Klippenkönigin!‹
    Es waren der Leuchtturmwärter und das Rosenmädchen, die amStrand standen und winkten. ›Warte!‹, bat die kleine Königin. ›Vielleicht möchten sie mitkommen.‹
    Der Mann schüttelte den Kopf. ›Nein‹, sagte er leise, ›ich denke, zu zweit ist es schöner. Sie werden uns nur stören.‹
    ›Steig aus, kleine Königin!‹, rief das Rosenmädchen, und der Leuchtturmwärter rief: ›Komm zurück!‹
    ›Sie ist jetzt mein Fahrgast!‹, rief der Mann. ›Und ihr habt in der Sache gar nichts zu

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