Märchenwald Mörderwald
sie nicht aus dem Wasser ragten, sondern auf der Insel standen.
Wir glitten direkt auf sie zu.
Ob wir von diesem Eiland aus beobachtet wurden, war nicht zu sehen. Ich konnte es mir allerdings gut vorstellen. Wenn dort ein Riese existierte, der noch aus einer uralten Zeit stammte, dann hatte er sicherlich alles unter Kontrolle. Er war so etwas wie der Herrscher dieser Zwischenwelt.
»Denkst du daran, ihn zu töten?«, fragte der Rote Ryan.
»Das weiß ich nicht. Ich denke nur daran, dass ich Menschen retten möchte.«
»Was nicht leicht sein wird.«
»Ich weiß. Nur frage ich mich, was der Riese davon hat, sie zu töten.«
»Denk nicht immer so gewalttätig.«
»Wie soll ich...«
»Er will sie vielleicht bei sich haben, John. Er will nicht mehr allein sein. Er will nicht, dass Geschöpfe wie er aussterben. Er möchte eine uralte Tradition fortführen, und deshalb hat er sich die drei Menschen ausgesucht. Es kann sogar sein, dass sie gar nicht mehr zurück in ihre Welt wollen. Du musst dich auf alles einstellen.«
»Klar, das tue ich auch. Sogar darauf, dass wir von ihnen angegriffen werden.«
»Warte es ab.«
Ich wusste nicht, ob er mir mit dieser Antwort hatte Hoffnung machen wollen oder nicht. Wenn ich recht darüber nachdachte, hatte ich weiterhin das Gefühl, in einem tiefen Traum zu stecken, aus dem ich irgendwann erwachen würde, weil das Telefon klingelte. Alles war so wahnsinnig schnell gegangen, aber mit derartigen Dingen musste ich einfach leben. Das war nun mal so.
Das Wasser blieb dunkel, und es fing sich kein Sonnenstrahl auf der Oberfläche. Die beiden mächtigen Stelen rückten näher. Sie kamen mir jetzt noch größer vor. Wenn ich ihr Ende sehen wollte, musste ich schon den Kopf weit in den Nacken legen. Ein wenig erinnerten sie mich auch an die Flammenden Steine, der Heimat meiner atlantischen Freunde.
Ich rechnete noch immer damit, aus dem Wasser attackiert zu werden. Für so ein Wesen, wie ich es kurze Zeit im Teich erlebt hatte, wäre es ein Leichtes gewesen, das Boot zu rammen und kentern zu lassen.
Aber das Wasser bewegte sich nicht, abgesehen von den Wellen, die wir erzeugten.
Es gab nicht nur diese eine Insel. Ich sah auch weitere aus dem Wasser ragen, aber wesentlich flacher. Die sehr hohen Bergrücken malten sich weiter im Hintergrund ab.
Vor dem Tor gab es eine schwache Strömung, die wir überwinden mussten. Das Boot schaukelte ein wenig heftiger, dann glitten wir nach einigen Paddelbewegungen des Roten Ryan hinein in die Enge, die so etwas wie ein Minifjord war, aber breit genug, dass das Boot nicht irgendwo anstieß.
Einen Sandstrand gab es nicht. Dafür schimmerten die nassen Steine, gegen die die Wellen leckten. Sehr bald hörte ich ein typisches Geräusch, als das Boot mit seinem Kiel über den Grund schrammte und schließlich festsaß.
Wir konnten aussteigen.
Der Rote Ryan machte es geschickter als ich. Er reichte mir sogar die Hand, und ich betrat den dunklen, feuchten Steinboden, der mich nicht weiter interessierte, denn ich wollte wissen, was sich auf der Insel befand.
Schon oft hatte ich kleine Eilande betreten. Manche mit einer üppigen Vegetation versehen, andere wiederum kahl und felsig. Der Boden war hier bewachsen. Gräser bildeten einen Teppich. Gesträuch mit breiten Blättern rankte sich in die Höhe, hin und wieder beschattet von verkrüppelten Bäumen.
Nach einigen Metern war der Rote Ryan stehen geblieben. Er wartete sicherlich auf eine Frage von mir, und ich enttäuschte ihn nicht.
»Wo müssen wir hin?«
»In das Zentrum, denke ich.«
»Und was finden wir dort?«
»Eine große Höhle.«
»In der er sitzt?«
»Ja, er.«
Mehr bekam ich nicht zu hören.
Da wir nicht fliegen konnten, mussten wir zu Fuß gehen, und wieder überließ ich meinem Freund aus Aibon die Führung.
Mein Herz klopfte jetzt schneller als gewöhnlich. Ich dachte ja nicht nur an die Riesen, sondern auch an die Menschen, die durch sie mutiert waren oder eben nur durch den einen.
Wie würde er reagieren, wenn er mich plötzlich sah?
Und wie hatte er reagiert, als man ihm den Lord gebracht hatte?
Ich hoffte, dass er sich wirklich hier aufhielt. Sonst wäre alles umsonst gewesen.
Die Insel selbst ragte nicht sehr hoch aus dem Wasser. Man konnte sie durchaus als ein flaches Gebilde bezeichnen. Das galt allerdings nur für den Untergrund.
Weiter vor uns wuchsen einige Felswände hoch. Zuerst dachte ich, dass sie voneinander getrennt wären, dann jedoch fiel mir auf, dass
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