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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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daß es nach Manhanus Rückkehr Ärger geben würde. Offenbar sollte er für diese Operation den Sündenbock abgeben.
    Gwynnor flüsterte: „Du kannst nicht die ganze Welt bemuttern.“
    Sie zog die Nase kraus. „Ich weiß“, flüsterte sie zurück.
     
    Auf der Lichtung draußen erklärte der Direktor gerade, wie er durch seine vollendete Diplomatie das Waldvolk überredet habe, halbjährlich Tribut zu zollen: Holz und Holzprodukte ohne irgendwelche Kosten für die Gesellschaft. Daher gebe es für die Erntemaschine keinen Bedarf mehr; sie solle zur Stadt transportiert, und von dort nach Hagens Welt geschafft werden, wo der nächste dafür verantwortliche Mann es hoffentlich verhindern könne, daß sie unter seinen Augen zerstört werde.
     
    Aleytys konnte die Belustigung und den sich vertiefenden Respekt spüren, der sich unter Lushans Gesellschafts-Gesicht verbarg. Sie lag der Länge nach auf dem Ast, stützte das Kinn auf die gekreuzten Hände und sah zu, wie sich das Spiel unter ihr entwickelte. Seinen Worten nach zu urteilen, war der Direktor davon überzeugt, daß ihn die Übereinkunft gut aussehen ließ. Er mußte eine starke Motivation haben, dies aufrechtzuerhalten. Aber jedesmal, wenn sie ihn sondierte, fühlte sie sich vage unbehaglich. Um sich zu beruhigen, versuchte sie es wieder.
    Wut … Zufriedenheit … eine unheimliche Doppelaura … Als hätte Manhanu zwei Seelen … auf gewisse Art wie der Arzt … Ein schwacher, harmloser, absterbender Schimmer und ein kalter, wilder Überzug … Sie konnte ihn fühlen, bekam ihn jedoch nicht zu fassen. Als gäbe es ein zweites Leben in ihm, das jenseits ihres Wahrnehmungsvermögens verborgen war.
    Einen Moment lang schaute der Direktor auf, sein Gesicht ihr zugekehrt. Als könne er sie sehen. Als wüßte er, daß sie da war. Beobachtete. Sie fröstelte. Er lächelte und sah weg.
     
    Qilasc verbeugte sich tief vor Manhanu. Sie winkte den jungen Mädchen; das langsame, gleichmäßige Schlagen begann erneut. Noch einmal, zweimal verbeugte sich Qilasc. Dann, mit einem schweigenden Tipylexne neben sich, drehte sie sich um und schritt langsam über die Lichtung. Als sie unter den Bäumen verschwanden, stolzierte der Direktor in die Erntemaschine hinein, der Ingenieur folgte ihm.
    Gwynnor bewegte sich. „Was passiert jetzt?“
    „Wir warten ab und sehen, was er macht.“
    „Wird er sein Wort halten?“
    „Ich weiß nicht. Er versucht nicht, die Erntemaschine zu starten. Wenigstens etwas.“
    „Er hat dich angesehen.“
    „Hmm. Diesen Mann umgibt wirklich etwas Seltsames. Warten wir hier, bis er die Maschine wegbringt. Wenn er das macht …“
    „Wie lange wird das dauern?“
    „Wenn er es ernst meint, dann erwarte ich, daß er sie wegschaffen wird, bevor dieser Tag vorbei ist. Es ist noch früh, und bei diesen langen Tagen …“
    Die schwüle Hitze verschlimmerte sich, als die Sonne höher stieg. Auf der Lichtung tat sich nicht viel. Einmal kam ein Wachmann heraus – ohne Rüstung –, umrundete die Erntemaschine, kam an den Waldrand und urinierte gegen einen Baum. Dann ging er wieder zurück.
    Ein wenig später kam ein Gleiter aus dem Süden und setzte neben der Maschine auf. Der Direktor kam in Begleitung des Ingenieurs heraus, redete leise. Obwohl sich Aleytys anstrengte, etwas zu verstehen, konnte sie keines der Worte auffangen. Dann ging Lushan wieder hinein, und Manhanu kletterte in den Gleiter. Einen Augenblick später stieg dieser auf, schwebte sekundenlang gerade über Baumwipfelhöhe und schoß dann davon.
    Das Warten ging weiter.
    „Ich werde langsam schläfrig.“ Gwynnor rutschte auf dem Ast zurück, bis er an den Stamm gelehnt dasaß. „Noch eine Weile, und ich werde einschlafen und aus diesem verdammten Baum fallen.“
    Aleytys hielt sich an einem Nebenast fest und wandte sich um. „Ich muß hierbleiben, bis ich sicher bin, daß die Erntemaschine weg ist. Warum gehst du nicht ins Dorf zurück und siehst zu, ob du uns Vorräte und ein Boot organisieren kannst, das uns den Ruß hinunter und um das Kap herum zur Stadt bringt?“
    Er nickte. „Du paßt auf.“
    Sie legte sich wieder hin, ihre Blicke auf die Lichtung konzentriert. „Das werde ich.“

 
19
     
    Eine frische Brise strich über das Wasser, fegte durch ihr Haar und ließ das aufgerollte Segel gegen die Spiere schlagen. Aleytys riß den Blick von den schweigenden, beobachtenden Cludair los und betrachtete den Fluß. Er war hier mehrere Meter breit, breiter als jeder andere

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