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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Knien, ihr Körper bebte unter harten, heiseren Schluchzern. „Aleytys!“
    Sie schien nicht zu hören. Die großen, herzzerreißenden Schluchzer, die ihren Körper schüttelten, sogar das Boot schüttelten, gingen endlos weiter und weiter.
    Er klammerte sich an die Ruderpinne, starrte finster auf Schaumkronen von Weiß, die die Jade nicht weit vor dem Bug brachen. Er fühlte sich ebenfalls elend, saß hilflos da, an die Ruderpinne gefesselt, unfähig, sie zu berühren, sie zu trösten, wie er es wollte. Nur dazu fähig zu warten, daß sich ihr Aufruhr legte. Sich zu fragen, warum. Was hatte ihn entfacht? Daran erinnert zu werden, schmerzlich daran erinnert zu werden, daß dies ein fremdes Wesen war, eine andere Spezies, deren Gedanken und Empfindungen manchmal unverständlich waren.
     
    Aleytys hob den Kopf; der Aufruhr in ihr hatte sich zu einer dumpfen, schmerzenden Trübsal gelegt. Sie blickte sich um, nahm Gwynnors besorgtes Gesicht wahr. Seufzend rutschte sie herum, bis sie zusammengerollt auf den Bodenplanken lag. Wenig später versank sie in einen tiefen Schlaf.
     
    Als sie erwachte, hing die Sonne tief am Himmel und verwandelte Gwynnors Kopf und Schultern in eine schwarze Büste vor dem leuchtenden Karminrot. Sie stemmte ihren steifen Körper hoch, bewegte sich mit übertriebener Vorsicht.
    Gwynnor spürte, wie sich das Boot bewegte; er nickte kurz, um ihre Rückkehr ins Bewußtsein zu bestätigen, wandte sich dann wieder der Beobachtung beider Seiten des Flusses zu.
    „Gwynnor?“
    „Was ist?“ fragte er ungeduldig.
    „Könntest du den Wasserschlauch an eine Stelle schieben, wo ich ihn erreichen kann?“
    Er hob den Schlauch an den Schulterriemen hoch, schwang ihn zurück, dann vor und ließ ihn mitten im Vorwärtsschwung los, so daß er vor ihren Füßen auf die Bodenplanken plumpste.
    „Danke.“ Sie nahm einen Mundvoll von dem angewärmten Wasser, spülte es herum und ließ es dann ihre trockene Kehle hinuntersickern. Dann trank sie wieder, nahm ein paar kleine Schlucke, bis das ekelhafte, wattige Gefühl aus dem Mund verschwunden war. Sie steckte den Stöpsel zurück und legte den Schlauch neben die Füße.
    Sie schaute sich um. Die roten Klippen waren verschwunden und der Fluß hatte sich ausgedehnt, war jetzt doppelt so breit, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Auf beiden Seiten ragten Bäume aus dem Wasser, das unter ihren ausgebreiteten Zweigen weiter und weiter wogte. Sie konnte kein Ende ausmachen. Die Bäume hatten ein zottiges, farbloses Aussehen, als hätte das ständige Eingetauchtsein ihrer Füße in das schwarze Wasser etwas von ihrem Leben aus ihnen herausgesaugt. Selbst die Luft hatte einen abgestandenen, modrigen Geruch. Immer mehr Schilfgürtel wuchsen um tote Bäume herum empor, die knochenweiße Skelette waren, die aus dem dichter werdenden Schilfufer aufragten.
    Gwynnor runzelte besorgt die Stirn; unablässig wandte er den Kopf von einer Seite zur anderen und musterte die toten Bäume mit besonderer Aufmerksamkeit.
    „Lauert in diesem Durcheinander dort etwas Gefährliches?“
    „Nicht für uns hier draußen.“
    „Warum holst du dir dann einen wunden Hals?“
    „Nacht. Mondlose Nacht. Ich habe nicht vor, uns an verborgene Baumstümpfen zu versenken oder vom Hauptkanal abzukommen. Hier soll irgendwo eine Anlegestelle sein.“
    „Die Nacht am Ufer verbringen?“ Aleytys fröstelte.
    Er schüttelte den Kopf, ein hartes, ungeduldiges Rucken. „Nein. Natürlich nicht. Siglen-du hat einen schlechten Ruf. Die Anlegestelle ist eine Plattform in einem jener Bäume. Wir werden die Nacht über dort bleiben.“
    Beim Anblick des stillen, schwarzen Wassers unter den Bäumen kräuselte sie die Nase. „Was lebt da drin?“
    „Den Erzählungen der Händler zufolge nichts, mit dem wir’s gerne zu tun haben wollen.“
    „Bist du je zuvor hier entlanggekommen?“
    „Nein.“
    „Oh, toll.“
    „Keine Bange. Ich habe dem Geschwätz der Händler über den Fluß und die Siglen-du zugehört. Außerdem habe ich Tipylexne gefragt. Solange wir uns im tiefen Wasser halten, haben wir nichts zu befürchten. Aber, verdammt, wenn wir die Anlegestelle verfehlen, werden wir in der dichten Dunkelheit im Delta sein.“
    „Ich habe nicht die geringste Ahnung, wovon du redest.“ Sie sah über die Schulter auf das breite Flußband, das sich vom Strich des Horizonts aus entfaltete. Sie ruckte mit dem Daumen zu der schlammigen, grünlich-braunen Flüssigkeit hin, die am Boot vorbeiglitt. „Das sieht

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