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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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nicht einmal wie Wasser aus.“
    Neugier weitete seine Katzenaugen.
    „Bäume kenne ich. Felsen. Prärien und sogar Wüsten. Aber ich habe nie einen Ozean gesehen. Außer von dort oben.“ Sie schnellte eine Hand Richtung Himmel. „Was ist ein Delta?“
    „Wo … Hu! – Da ist es!“ Er grub das Ruderblatt ins Wasser und trieb das Boot uferwärts.
    „Kann ich helfen?“
    Vor Anstrengung knurrend, kämpfte er gegen die Strömung an. „Sitz einfach nur still.“
    Die Strömung ließ zögernd nach, aber allmählich drängte er das Boot nach rechts. Sobald er aus der Hauptrinne heraus war, strömte das Wasser langsamer dahin, und er konnte das Boot genauer auf den toten Riesen zusteuern, der knochenweiße Äste weit aus dem Schilfdickicht stieß. Dann waren sie im Schilf, stakten das Boot durch die gebündelten markigen Rohre und rührten dabei faulig riechenden Schlamm auf. Etwas Totes lag nicht weit entfernt. Etwas Totes, Verfaulendes, und die süße Verwesung hing wie ein überschweres Parfüm in der Luft. Der Gestank wurde unerträglich.
    Aleytys hielt sich die Hand auf die Nase und atmete so flach wie möglich, nicht bereit, zu protestieren, weil sie, um zu sprechen, den Mund würde öffnen müssen, und sie hoffte zutiefst, dies nicht tun zu müssen. Zum ersten Mal seit ihrem Erwachen war sie froh, nichts im Magen zu haben.
    Gwynnor stieß das Boot durch das Schilf – und rührte eine weitere Belästigung auf: Wolken von Insekten, die ihrem Unbehagen eine ganz neue Dimension hinzufügten. Sie landeten auf jedem Quadratzoll freier Haut.
    Mehrere Vögel flatterten auf, mit heiserem Krächzen protestierten sie gegen dieses Eindringen in ihre Heimstatt. Aleytys erhaschte flüchtige Blicke auf Wasserschlangen, die sich stumm in der widerlichen Flüssigkeit davonschlängelten, und auf andere Kreaturen, die sie nicht benennen konnte, aber augenblicklich als etwas zu Meidendes erkannte.
    Schließlich brachte Gwynnor das Boot längsseits an den ausgebleichten Stamm des toten Riesen. Eine Leiterranke, vom Alter vergilbt, führte zu einer großen Plattform gut zwanzig Meter über ihn hinauf.
    Aleytys schlug wie rasend nach den Insekten und runzelte die Stirn. „Müssen wir hier bleiben?“
    „Auf der Plattform wird die Luft reiner sein. Vielleicht sogar kühler. Nimm die Bündel, während ich festmache.“
    „Ja, Herr.“
    Er blickte schnell auf, sah ihr Lächeln und machte sich wieder daran, das Haltetau durch ein in eine der knorrigen Wurzeln gebohrtes Loch zu fädeln.
    Aleytys zerrte die Bündel aus dem Bug des Bootes und ließ sie auf den Bodenplanken neben dem Mast liegen. „Ich habe Angst, mich zu bewegen.“
    „Willst du die Nacht hier unten verbringen? Bei den Schlangen und den anderen Dingern?“ Er knurrte zufrieden, als er den Knoten mit einem schnellen Ruck an der Leine prüfte. „Vergiß den Wasserschlauch nicht.“
    Er machte zwei Schritte und blieb am Mast stehen. „Auf die Füße, Aleytys.“ Er hob sein Bündel auf und schob die Arme durch die Schlingen. Während er das Stirn-Trageband zurechtschob, fuhr er fort: „Das ist so eine Sache, ein Schiff im Gleichgewicht zu halten. Plötzliche Bewegungen sind dumm. Wenn du aussteigst, ergreife die Ranke und laß sie den Großteil von deinem Gewicht tragen, bevor du dich bewegst. Verstanden?“
    „Leicht gesagt.“ Sie stand vorsichtig auf, erstarrte, als das Boot unter ihr schaukelte, atmete weiter, als sich das Schwanken legte. Ein bißchen ruhiger schob sie die Füße über die Bodenplanken, bis sie neben ihm stand. „Was jetzt?“
    „Gib mir den Wasserschlauch. Heb dein Bündel nicht auf, bis ich aus dem Boot bin.“
    „Gut.“ Während sie ihr Bündel in die richtige Lage zu ihrem Fuß brachte, schob er seinen Arm in den Schultergurt des Wasserschlauches. „Zumindest habe ich eine gute, empirische Vorstellung von dem, was es – auf Boote gemünzt – heißt, behutsam zu sein.“
    „Nichts geht über Erfahrung.“ Er beugte sich vor und packte die Leiterranke. „Gib mir dein Bündel, sobald ich ein Stückchen hochgeklettert bin. Du wirst es leichter haben, wenn es dich nicht aus dem Gleichgewicht bringt.“
    „Danke.“ Sie schloß die Augen, und das Boot schaukelte wild, als er sich auf die Ranke hinausschwang.
    „Aleytys!“
    Sie zwang die Lider hoch. Er war einen halben Meter den Stamm hochgeklettert, vorgebeugt, und griff nach ihrem Bündel. Hastig schluckte sie, behielt eine Hand um den Mast gelegt, nahm das Bündel hoch und schaffte

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