Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
der Nähe des Flughafens Mailand-Linate und direkt am ehemaligen Mailänder Wasserflughafen. Wie die Untersuchungen ergaben, war auch das
Le Monde
, ein Swinger-Club, ein »’Ndrangheta-Ding«, wie es in den abgehörten Gesprächen der Führungsfiguren von Trovatos Truppe heißt. Die jeweiligen offiziellen Lizenzverlängerungen lassen sie sich eine Menge Geld kosten. Sie gingen sogar so weit, die Unterstützung der damaligen Verwaltungsspitze der Provinz zu erkaufen.
Vom Drogenhandel bis zur Auswahl der Sicherheitsfirmen, in den ’Ndrangheta-Discotheken sorgte das Mafia-System für alle Dienstleistungen. In der Operation »Oversize« wurden unter anderem Falzetta und der Sohn Trovatos, Emiliano, verhaftet. Dabei wurden zahlreiche Hinweise auf andere Mafiosi gefunden, die als Sicherheitspersonal der ’Ndrangheta-Discotheken arbeiteten. Mit diesem Trick hatte die Mafia dafür gesorgt, dass ihre Gefolgsleute legale Arbeitsplätze erhielten und gleichzeitig ganz offiziell den Drogenhandel in den Discotheken kontrollieren konnten. Eben jenen Drogenhandel, der die Profite der Mafia erst so richtig explodieren ließ.
Der für den Kokainverkauf in den ’Ndrangheta-Discotheken zuständige Unterweltler war Palmerino Rigillo, der Neffe von Vincenzo Falzetta. Diese »Arbeit« verschaffte ihm ein Einkommen von 10.000 bis 15.000 Euro pro Monat. Er hatte die Erlaubnis, auch außerhalb der Mafia-Lokale zu verkaufen, solange er selbst den Stoff vom Trovato-Clan einkaufte. Palmerino vertickte auf diese Weise dreißig bis vierzig Kilo Kokain pro Monat. Der Stoff wurde in einem Lager in Lecco gebunkert. Und von dort auf den lombardischen und toskanischen Markt verteilt. Aber nicht nur das. Große Mengen wurden auch an die Clans der Provinz Reggio di Calabria und der Küste am Ionischen Meer weiterverteilt.
Diese enge Zusammenarbeit von Süd- und Norditalien ist ein sprechender Beleg für jene moderne ’Ndrangheta, die keine Grenzen mehr kennt. Auch keine Staatsgrenzen. Mit ihrem »weißen Gold« unterwandert sie die Märkte, reißt Schutzmauern ein und errichtet Imperien. Weltweit gilt die ’Ndrangheta mittlerweile als Monopolist im Kokainhandel. Dieser Handel ist in mehrere Ebenen unterteilt. Die ’Ndrangheta-Clans beherrschen die beiden obersten Ebenen. Sie sind Finanziers und Zwischenhändler, Akteure, die im Zwielicht operieren und nahezu unsichtbar bleiben. Sie knüpfen Kontakte und sorgen für Kapitalnachschub. Den schmutzigen Teil der Arbeit überlassen sie anderen, den Großhändlern und Dealern, den sogenannten »Pferden«, die in der Mafia-Hierarchie an unterster Stelle stehen.
Auf diese Weise saugt die Mafia Italien aus. Und verdient dabei Milliarden. Geld, das den bitteren Geruch von »Päckchen« verströmt und das von den Clans aus der schwarzen in die weiße Wirtschaft gepumpt wird. Damit gelingt es ihnen, die legale Wirtschaft zu unterwandern, zu verseuchen und unter Drogen zu setzen. Zwei Seiten derselben Medaille. Aus Kokain werden Geschäfte, Einkaufszentren, Supermärkte, Wohnhäuser, Baumaschinen, Bingohallen, Gaststätten und Discotheken. In letzteren wird dann wieder das »weiße Gold« gehandelt, so schließt sich der Kreislauf.
Kokain ist für viele Jugendliche zum Lebenselixier geworden. Jugendliche, die sich betäuben wollen, die man anfixen und auf den tödlichen Weg in den Abhängigkeit schicken kann. Wie Luis, der intellektuelle Anstrengungen als lästig empfindet. Er betrachtet die künstliche Euphorie des Wochenendes als einziges Gegenmittel, um seine Unsicherheit zu überwinden, seine Leistungsfähigkeit zu steigern und nicht ins Prekariat abzurutschen, das die Gegenwart zum System erhoben hat.
Er zieht es vor, sich den Gorillas der ’Ndrangheta auszusetzen und sein Geld den »offiziellen Dealern« hinterherzuwerfen. Und er ist bereit, weiteres Geld auszugeben für die alkoholischen Zaubertränke, die sie in den ’Ndrangheta-Nachtclubs ausschenken. Luis ist nur ein kleiner Soldat im großen Heer, das auf den nächsten Trip aus ist. Er und viele andere spülen ihr sauberes Geld in die Taschen der Mafia, als Gegenleistung für ihre giftige Handelsware. Solche wie Luis arbeiten hart unter der Woche. Junge Männer und Frauen, die mit Würde ihren Lebensunterhalt verdienen. Ihr an den Werktagen erworbenes Geld wird von der ’Ndrangheta still und heimlich umgelenkt. Junge Menschen, die die Profite der ’Ndrangheta explodieren lassen, ohne sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst zu sein.
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