Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
Vom Netzwerk:
spielte auch eine entscheidende Rolle bei den Erpressungen. In einem abgehörten Gespräch überbrachte Biolchini einem Unternehmer »Forderungen, die nicht von mir stammen, ich spreche für andere, für wichtige Leute«. Da lag der Verdacht nahe, dass Biolchini für den Casalesi-Clan sprach. Biolchini und Pinelli sind zwei Beispiele für Einwohner Modenas, die von der Macht des Clans profitiert haben. Pinelli ist ein guter Bekannter von Alfonso »O Pazzo« Perrone und dessen Anwalt, so dass es kein Wunder ist, dass der Pate am Ende eines Gesprächs bittet, seine Grüße auch Loris (Pinelli) auszurichten.
    Von den Spielhöllen bis zur Bauwirtschaft, alle Geschäfte der Clans in der Region Modena drehten sich um die unsichtbare Achse Aversa-Modena, deren Exponenten die Familien Schiavone, Zagaria und Iovine sind. Die Geldflüsse von der Emilia-Romagna in die Kassen des organisierten Verbrechens laufen im Mutterhaus zusammen. Von dort aus wandern sie wieder nach Norden, die Halbinsel hinauf und tauchen im Norden in Form von Wucher, Villen, Luxuslimousinen, Firmen, Wohnungen, Cafés, Restaurants, Handelsunternehmen, Hotels oder großen öffentlichen Bauwerken wieder auf. Womit sich der Kreislauf wieder schließt.

5.
DIE ’NDRANGHETA-DISCO
    Mailand, Viale Certosa, vier Uhr morgens. Weil ich mich auf der Tanzfläche der Disco verausgabt habe, verlasse ich die gastliche Stätte und gehe raus auf den Parkplatz des Vergnügungstempels. Mein Auto parkt in einer entfernten Ecke. Plötzlich höre ich ein jämmerliches Stöhnen. Jemand wimmert wie ein geprügelter Hund. Ich drehe mich um und sehe in diese weitaufgerissenen Augen. Der halbnackte Junge blutet an Augenbraue und Wange. Seine Blicke flehen um Hilfe. Hätte ich noch weiter getanzt, hätte ich ihn nicht rechtzeitig gefunden. Niemand hätte ihn gehört. Zwar sind noch viele Autos unterwegs, aber sie rasen auf der vierspurigen Schnellstraße vorbei. Gestreift vom Licht der Straßenlampen. Taub gegenüber den Geräuschen der Außenwelt.
    Im Dezember spürst du die Kälte in der ehemaligen Moral-Hauptstadt Italiens bis in die Knochen. Zehn Grad unter Null melden die Wetterstationen in dieser Nacht. Er liegt vor mir auf dem Kiesboden. Spitze, kleine, eiskalte Steinchen drücken sich in die von Blutergüssen übersäte Haut seines Brustkorbs. Rings um uns Stille, die nur von den vorbeisausenden Autos und den aus der Discothek dringenden Musikfetzen unterbrochen wird. Der von mir gerufene Krankenwagen lässt auf sich warten. Ich trage ihn bis zu meinem Auto, setze ihn rein, starte den Motor und steuere die nächste Notaufnahme an.
    Er heißt Luis. Während der Fahrt erzählt er, was ihm zugestoßen ist. »Ich war in einer Toilettenkabine mit einem Mädchen. Sie hat mich gefragt, ob ich ihr ein Päckchen [Kokain] verkaufen könne. Ich hatte was dabei. Hab ihr zwei Päckchen gegeben. Alles in allem nicht mal ein halbes Gramm. Auf einmal kommt der Kalabrese rein. Einer der Türsteher. Ein Berg von einem Mann. Ich dachte nicht, dass er wegen ’nem halben Gramm so ausrasten würde. Er packt mich sofort und schreit: ›Komm mit, du Arsch.‹ Ich will mich entschuldigen, aber er hört mir gar nicht richtig zu und schleppt mich nach draußen auf den Hinterhof. Wie ein Irrer prügelt er auf mich ein. Ich flehe ihn an, aufzuhören, aber selbst als ich am Boden liege, tritt er noch auf mich ein. Mir läuft das Blut aus der Fresse. Dann kniet er sich zu mir nieder, zerrt mich an den Haaren zu sich ran und zischt: ›Hier verkaufen so Arschlöcher wie du nicht. Nächstes Mal mach ich dich kalt.‹«
    Im
Madison
kann nicht einfach jeder dealen. Als die Discothek noch Mafia-Boss Franco Trovato und seinen Kumpanen gehörte, gab es eherne Regeln dafür. Ein Kronzeuge berichtete den Staatsanwälten, dass im
Madison
der Verkauf von »Päckchen« (Kokain) und
Pieces
(Haschisch) allein den eigenen Männern der Mafia vorbehalten war. Trovato ist einer der erbarmungslosen Eintreiber der ’Ndrangheta, der in Oberitalien zwischen Lecco und Mailand in den achtziger und neunziger Jahren für Angst und Schrecken sorgte. Damals hat er ein riesiges Vermögen gemacht, das sich aus Wucher, Erpressung, Geschäftsanteilen und Drogenhandel speiste. Reichtum, den er umgehend wieder in die legale Wirtschaft investierte.
    Trovato untersteht dem Clan der Familie Arena aus Isola di Capo Rizzuto und dem Clan der De Stefano-Tegano aus Reggio di Calabria. Mächtige Familien, denen Kalabrien »gehört«. Trovatos

Weitere Kostenlose Bücher