Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Geschichte ist eng mit der Lombardei verwoben. Als die ’Ndrangheta-Bosse im Hinterland Mailands Fuß fassen wollten, war er ihr Ansprechpartner. Trovato, ein Choleriker, hat ein Faible für Geschäfte. Seine Truppe gilt als dreist und rücksichtslos. Trovato und seine Leute haben früh erkannt, dass sich mit Kokain viel Geld machen lässt. Für die Beschaffung nutzten sie ihre Verbindungen nach Mittel- und Südamerika. Um das »weiße Gold« zu vertreiben, schufen sie entsprechende Strukturen. Sie kauften Gaststätten, Cafés, Discotheken und Pizzerien. Als Franco Trovato verhaftet wurde, wurde sein ganzer Besitz beschlagnahmt. Damals zerfiel ein Imperium, zu dem auch Luxuskarossen, Finanzgesellschaften und Immobilienunternehmen gehört hatten.
Bevor er Kronzeuge wurde, arbeitete Giuseppe di Bella für den Clan von Franco Coco Trovato und war einer seiner engsten Vertrauten. Auf der Grundlage seiner Aussagen hat Gianluigi Nuzzi ein Buch mit dem Titel
Metastasen
verfasst. Ein Exemplar landete auf dem Tisch des Leitenden Staatsanwalts von Rom. Di Bella wurde darin mit der Aussage zitiert, dass Trovato den ehemaligen Justiz- und Verkehrsminister Roberto Castelli bei Wahlen in den neunziger Jahren durch Stimmenbeschaffung unterstützt habe. Di Bella nennt die Namen von Unternehmern und hochrangigen Wirtschaftsvertretern aus dem oberitalienischen Lecco, die zum Aufstieg des brutalen Paten und zur Entstehung seines Imperiums beigetragen hätten. Er beschreibt ein System, das die Erfolgsgeschichte der ’Ndrangheta in der Lombardei erklärt. Ein System, das sich auf Korruption, Mitwisserschaft, geheime Absprachen, Gewalt und Geld gründet.
Nachdem der Mafia-Boss verhaftet worden war, tauchten plötzlich Mario und Emiliano Trovato auf, die Sprösslinge von Franco. Sie übernahmen das Kommando. An ihrer Seite die Vertrauten des verhafteten Paten: Palmerino Rigillo, Vincenzo Falzetta sowie Angelo und Vincenzo Musolino. Der Marsch der neuen Generation auf den Olymp der ’Ndrangheta war damit eröffnet.
Der aus Catanzaro stammende Franco Trovato war 1967 im Alter von zwanzig Jahren in die Lombardei gekommen. Anders als viele seiner Kollegen an der Spitze der Mafia wurde Trovato nicht im Rahmen des unglückseligen Anti-Mafia-Programms in den Norden verbannt, sondern kam aus freien Stücken hierher. Er war ein einfacher Emigrant, der seine Karriere der lombardischen Gesellschaft zu verdanken hatte. In den ersten Jahren arbeitete er auf dem Bau und half mit, die Häuser jener Wohngebiete hochzuziehen, die damals ins Umland der Industriestädte Norditaliens wucherten. Eine anstrengende Arbeit, die auch heute noch von vielen Emigranten aus Kalabrien ausgeführt wird. Jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen. Arbeiten bis zum späten Nachmittag. Über zwölf Stunden täglich, um neue Trabantenstädte, neue Stadtteile entstehen zu lassen.
Das Leben des künftigen Mafia-Bosses war zu dieser Zeit von Armut geprägt. Doch Trovato stand der Sinn nach anderem. Er wollte Geld, Ruhm und Anerkennung und fing an, an seiner kriminellen Karriere zu basteln. Am Anfang standen kleineren Straftaten wie Körperverletzung und Diebstahl. Dann kamen die ersten Auftragsmorde hinzu. Mit steigendem Bekanntheitsgrad versammelte er um sich ein Heer jugendlicher Schläger, aus denen er eine eingeschworene Truppe formte. So wurde er zum Boss seines Viertels, und sein Aufstieg begann. 1991 änderte er offiziell seinen Familiennamen. Nach der Anerkennung einer Vaterschaft hieß er fortan nur noch Trovato. Aber in der Geschichte der Mafia-Verbrechen in der Lombardei wird er immer als Coco Trovato in Erinnerung bleiben.
1992 wurde er schließlich verhaftet. Die Polizeibeamten stöberten ihn in seinem Schutzbunker auf und brachten ihn ins Gefängnis von Foggia. Seine Kommandozentrale hatte er in der Pizzeria
Wall Street
im oberitalienischen Lecco gehabt. Dort wurden von ihm und seinen Spießgesellen Strategien entwickelt, Mordanschläge geplant und gefoltert. Dort beschlossen sie, welche Unternehmer sie als Nächstes ausnehmen wollten.
Die wirtschaftliche Potenz des Trovato-Clans war beeindruckend. Seit den achtziger Jahren hatten sie sehr divergierende Geldanlagen angehäuft. Restaurants, Pizzerien, Nachtlokale, Bars, Immobiliengesellschaften, Finanzunternehmen. Werte, an denen Blut klebt, und die Coco Trovato zusammen mit seinem Rangkollegen Pepè Flachi im Zeitraum von zwei Jahrzehnten angehäuft hatte, genauer gesagt zwischen 1970 und 1992, dem Jahr seiner
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