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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Mafia-Clans in Kalabrien. Regelmäßig werden den Clans die entsprechenden Summen überlassen, ohne dass jemals die Justizbehörden eingeschaltet werden. Die Unternehmer sind nicht nur Opfer der Mafia, sondern zugleich ihre Komplizen, so wie im Fall der fingierten Rechnungen, denen überhaupt keine reale Gegenleistung entspricht.
    Der erste Oberboss, der sich in Reggio Emilia niederließ, war Antonio Dragone. Er war 1981 zur Verbannung nach Oberitalien verurteilt worden. Dies geschah im Rahmen jener verhängnisvollen Justizstrategie, die die Bosse von ihren Familien trennen sollte, aber damit nur erreichte, dass die Mafia im reichen Norden Fuß fassen konnte. Dort angekommen, fand sie ein äußerst fruchtbares Terrain für ihre Aktivitäten vor. Der Clan-Chef Nicolino »Manuzza« Grande Aracri wählte dagegen Brescello als Zweitsitz. Hier siedelten sich auch zwei seiner Schwestern und mehrere Neffen an, darunter Salvatore und Nicolinos Bruder Francesco, der im März 2012 das Gefängnis verlassen konnte, in dem er seit 2008 eingesessen hatte, weil seine Strafe verbüßt war.
    Ende der neunziger Jahre zerbrach die Allianz zwischen dem Clan der Grande Aracris und dem der Dragones, und mündete in einen blutigen Krieg, der Cutro und das restliche Kalabrien in Angst und Schrecken versetzte. Dies hatte indirekt auch Auswirkungen auf das Gleichgewicht der Kräfte in Reggio Emilia, wo beide Clans aktiv waren. Daher suchten sie neue Verbündete unter den ’Ndrangheta-Familien von Isola di Capo Rizzuto. Die Grande Aracris fanden bei der Familie Nicoscia Unterstützung und die Dragones bei der Familie Arena. Während man im Süden aufeinander schoss und Mitglieder feindlicher Clans auf der Straße ermordete, setzte man im Norden auf Zusammenarbeit. Doch ab 1991 fielen auch dort die ersten Schüsse. Die Mordserie begann mit einem Anschlag auf Nicola Vasapollo, der in Reggio Emilia unter Hausarrest stand.
    Die Familie Vasapollo hatte sich vom Dragone-Clan losgesagt und Killer wie den berüchtigten Paolo Bellini aus der Emilia-Romagna engagiert. Während einer gemeinsamen Zeit im Gefängnis hatte Bellini die Bekanntschaft von Nicola Vasapollo gemacht. Vasapollo bat ihn,
San Giovanni
, also Pate eines Kindes von Verwandten zu werden. 1992 wurden zwei Maurer aus Cutro erschossen, die in Reggio Emilia arbeiteten. Für den Doppelmord wurden Angehörige des Dragone-Clans aus Cutro verurteilt. Dann zogen die Jahre 1998 und 1999 herauf, an die man sich in Reggio Emilia als »Phase des Blutvergießens« erinnert. Am 8. Dezember 1998 wurde der junge Giuseppe Abramo, der zum Umfeld des Dragone-Clans gerechnet wurde, erschossen. Das Café
Pendolino
in Reggio Emilia wurde Ziel eines Bombenanschlags, bei dem es zehn Verwundete gab. Das Café war bekannt als »Treffpunkt der Kalabresen«. Ziel des Anschlags war der Mörder von Nicola Vasapollo. Sie verfehlten ihn jedoch. Den Ermittlern gelang es in der Folge, die blutigen Ereignisse zu rekonstruieren, die zwischen 1991 und 1998 für so viele Mordopfer auf den Straßen von Reggio Emilia gesorgt hatten. Dabei handelte es sich nicht einmal um eine echte Fehde zwischen zwei Clans, sondern um Auseinandersetzungen innerhalb eines einzigen Clans, dem der Dragone.
    Nach den Jahren der blutigen Kämpfe, die die öffentliche Aufmerksamkeit nachhaltig auf sich gezogen hatten, entschied sich die ’Ndrangheta, wieder zum geräuschlosen Betrieb ihrer »normalen« Geschäfte im Wirtschaftsleben des oberitalienischen Reggio Emilia zurückzukehren. Zwischen den Clans aus der Region Crotone kehrte daraufhin wieder Ruhe ein. Fast schien es, als hätten sie aufgehört zu existieren. Wenn da nicht die gegenseitigen »Warnungen« in Form von brennenden Lastwagen und geklauten Kränen gewesen wären. Vorkommnisse, die selbst den Lokalzeitungen nur wenige Zeilen wert waren. Die ’Ndrangheta, so die Überzeugung vieler, existiert nur, solange sie blutige Anschläge verübt und um sich schießt. Aber solange sie »nur« Geschäfte wie Schutzgelderpressung oder Korruption betreibt, sich Teile des Marktes mit illegalen Mitteln sichert, Material und Aufträge verschiebt, Geldwäsche betreibt und das betroffene Territorium ausbeutet – solange sie also nicht dramatische Schlagzeilen und Polizeieinsätze produziert, sondern nur »alltägliche« Dinge verrichtet –, wird sie nicht mehr als Gefahr wahrgenommen. Dieser Irrglaube ist im ganzen Land verbreitet.
    Die bürgerlichen Normen werden dabei zumindest äußerlich

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