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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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sowie die Baufirma
Il Muretto
mit Sitz in Trento (Südtirol). Seine Autotransportfirma, so stand es im Beschlagnahmungsdekret zu lesen, machte 2007 einen Umsatz von über zwei Millionen Euro. Seine Unternehmen
Nuova Inerti
und
Emiliana Inerti
symbolisieren die wirtschaftliche Seite des Nicoscia-Clans. Bei der
Nuova Inerti
handelt es sich um eine florierende Firma. Sogar nach der Beschlagnahmung durch die Behörden lief das Geschäft weiter. Wie mir ein anonymer Informant mitteilte, wird die Firma innerhalb der Werkshallen eines anderen großen Autotransportunternehmens mit Sitz in Gualtieri di Reggio Emilia heimlich weiterbetrieben. Seine wirtschaftlichen Aktivitäten betrieb Pugliese mit Hilfe des Strohmanns Federico Periti aus Crotone (Kalabrien).
    Neben den unternehmerischen Aktivitäten in der Emilia-Romagna, die von dem Strohmann offiziell geleitet wurden, schöpfte der Nicoscia-Clan einen weiteren Teil seiner Profite aus der Erpressung einiger aus Kalabrien stammender Unternehmer und Einzelhändler, die seit Jahren in Reggio Emilia ansässig waren. Michele Pugliese soll sogar persönlich die Schutzgelder für den Oberboss Salvatore Nicoscia in Reggio Emilia eingetrieben haben. Auf die überhöhten Erpressungssummen ließen sich die Unternehmer mit ihren florierenden, profitablen Firmen ein, weil sie wussten, dass das kleinste Zeichen von Auflehnung Strafaktionen des Paten nach sich ziehen würde. Schließlich war Michele Pugliese der direkte Abgesandte des Oberbosses des Nicoscia-Clans, Salvatore Nicoscia, der gemeinsam mit Pugliese zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde und der Bruder des Regionalbosses Pasquale Nicoscia ist.
    Ihre Kontakte untereinander beleuchten das System der Profitteilung und die Verbrechensstruktur, wie sie sowohl in der Emilia-Romagna als auch in Isola di Capo Rizzuto aktiv war. Salvatore Nicoscia bediente sich auch seines Neffen Antonio, um Schutzgelder von Unternehmern im Raum Reggio Emilia einzutreiben. Der Mechanismus ist denkbar einfach. Pugliese machte mit anderen Clan-Angehörigen bei den Unternehmern die Runde. Antonio Nicoscia oder Pasquale Manfredi kamen dann im Auftrag des Oberbosses Salvatore Nicoscia vorbei, um die entsprechenden Beträge abzukassieren. Anschließend wurde das eingenommene Geld unter den einzelnen Familien des Clans aufgeteilt.
    Immer wenn die Mafiosi in der Emilia-Romagna auf Inkasso unterwegs waren, wurden die Unternehmer am Vormittag aufgefordert, die »Päckchen« bis zum Abend bereitzustellen. Dies ging aus einer abgehörten Unterhaltung hervor. Auf einer ihrer Inkasso-Reisen sagte Manfredi zu Pugliese, dass er sich wegen der Rückfahrt nach Isola di Capo Rizzuto Sorgen mache und dass er aus diesem Grund die 30.000 Euro, die ihm Pugliese mitgeben wollte, nicht mitnehmen könne. Zudem sei sein Auto schon randvoll mit Kohle gepackt. Das Geld stammte vermutlich aus dem Kokainhandel, den die Gebrüder Capicchiano bis zu ihrer Verhaftung 2008 im Auftrag der ’Ndrangheta in Reggio Emilia betrieben.
    Teilweise fuhr Pugliese selbst die Gelder nach Kalabrien zurück, manchmal kam sogar der Oberboss Salvatore Nicoscia auf einen Sprung nach Norditalien. Es ging dabei um hohe Summen. Und keiner der Unternehmer brachte den Mut auf, die Mafiosi anzuzeigen. Einer von ihnen – ihm gehören mehrere bekannte Baubetriebe in der Region – bezahlte allein 5.000 Euro pro Monat an Salvatore Grande Aracri. Betriebe mit einem riesigen Umsatz, die den Mafiosi aus Cutro und Isola di Capo Rizzuto das Wasser im Mund zusammenlaufen ließen. Eine der alarmierendsten Feststellungen, die sich aus den Untersuchungsberichten ergab, war, wie schnell die Unternehmer den Schutzgeldforderungen nachkamen. Ein im Süden geborener Unternehmer musste natürlich an die Verwandtschaft im Süden denken, die im Zweifelsfall von den Mafiosi bedroht worden wäre. Also bezahlt er die Mafiosi aus Isola di Capo Rizzuto.
    Ohne eine einzige Drohungen auszusprechen, bekamen die Clans von den Unternehmern im Norden, was sie wollten. Im Gegenzug versprachen sie ihnen Vorteile bei der Auftragsvergabe im heimischen Crotone. Die Unternehmer zahlten und stellten den Clans zusätzlich vorteilhafte Rechnungen zur Geldwäsche aus. Die Bosse prahlten damit in den abgehörten Gesprächen. Es ging dabei nicht um Kleingeld. Um ihre Ruhe zu haben und ihren einträglichen Geschäften weiter nachgehen zu können, wurden die Unternehmer so – ob bewusst oder unbewusst – zu den Finanziers von zwei der barbarischsten

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