Mafia Princess
Cousins, die nah mit uns verwandt sind. Dads Zeugenaussage wirkte sich übel aus für unsere Verwandten, und sie wurden fuchsteufelswild. Großmutter war besonders wütend auf ihn und sprach ein paar Monate lang kein einziges Wort mehr mit ihm. Später sagte sie einmal zu Dad: »Ich weiß ja, was du da machst, aber so persönlich hättest du nun wirklich nicht werden müssen.«
Dad wollte sich nicht gegen die Familie stellen, aber er hatte keine Wahl. Die Verwandten waren nicht nur wütend, es war ihnen auch peinlich. Es war nicht gut für ihr Ansehen. Sie machen immer noch, was sie von jeher getan haben. Sie sind immer noch die Mafia. Sie sind im Geschäft.
Dad hat viele Leute vor den Kopf gestoßen. Ende 2009 sprach ich ihn darauf an, und er sagte: »Es fällt mir schwer, mit dem Gedanken zu leben, dass ich einmal Teil dieses Abschaums war. Sie sind alle Abschaum. Sie haben keinen Respekt. Sie haben kein Ehrgefühl. Sie sind keine Männer von Ehre. Ich kann mich jedenfalls nicht erinnern, alte Leute verletzt zu haben. Ich kann mich nicht daran erinnern, weil ich es nicht getan habe. Aber diese sind so tief gesunken, wie es tiefer nicht mehr geht. Das hat nichts mehr von der alten Schule, es ist nicht mehr, wie es früher mal war.«
Ich weiß, was er damit meint. Diese jungen Emporkömmlinge glauben, sie können machen, was sie wollen. Ganz egal, was für einen Ruf einer hat, sie halten sich für etwas Besseres. Sie denken, dass sie alles wissen.
Europa ist inzwischen ein Schmelztiegel von Gangstern, es gibt einen großen Zustrom von Albanern und Leuten anderer Nationalitäten auf den Straßen von Mailand. Die kennen keine Regeln, die haben keinerlei Respekt, wie meine Familie in Mailand es immer häufiger erlebt.
Dad hat Fehler gemacht in seinem Leben, aber so schlimm wie jetzt, wo Jugendliche auf offener Straße erschossen werden, waren die Verhältnisse nie. Wir leben in einer Welt der, wie ich es nenne, »Plastikgangster«. Die sind irgendwie nicht real, und sie wissen auch nicht, was real ist.
Dad hat viele Unterweltpersönlichkeiten in Europa und Amerika kennen gelernt. Viele von ihnen sind eines gewaltsamen Todes gestorben, darunter Dads italo-amerikanischer Kontaktmann Paul Castellano, dessen Tod am 16. Dezember 1985 »Dapper Don« Gotti angeordnet hatte.
Dad und ich haben über vieles geredet, aber am Telefon ist das nicht ganz einfach. Ich kann ihm dabei nicht in die Augen schauen. Doch inzwischen verstehe ich ihn viel besser, und er mich auch. Es gibt vieles, was er bedauert. Früher einmal dachte er, er könne meine Zuneigung kaufen, und das hat mich immer nur geärgert. Das Einzige, was ich wollte, war seine Zeit – aber die hat er darauf verwandt, sich mit Frauen zu amüsieren, dort lagen seine Prioritäten. Arbeit und Frauen. Er jagte Träumen und Ideen nach. Zeit, die er mit mir verbrachte, war keine richtige Zeit. Er verbrachte mehr Zeit mit Anna Maria, der Tochter, die er mit Fanny in New York hatte, als er sich als Graf Marco Carraciolo ausgab. Durch eine seltsame Wendung des Schicksals ließ sie 2009 einen DNS-Test machen, und es stellte sich heraus, dass sie gar nicht Dads Tochter war. Wie ironisch, dass er mehr Zeit mit ihr verbrachte als mit mir.
Heute sagt er: »Es tut mir leid, dass ich nicht öfter bei dir war. Die Zeit kann ich nicht zurückdrehen, sosehr ich es mir wünsche. Mein größter Traum war immer, einen Palast für uns alle zu finden, die ganze Familie dort zu versammeln. Ich mache einfach immer weiter und verdiene mehr Geld, um das zu verwirklichen.«
Einen großen letzten Job sollte es nie geben. Das ist inzwischen alles reine Theorie.
Vielleicht werde ich nie wieder von Angesicht zu Angesicht mit ihm sprechen können. Ich weiß nicht, wann er anruft, und ich habe keine Möglichkeit, mit ihm in Kontakt zu treten.
Tante Ritas Zeugenaussage war der Anstoß, der das Kartenhaus zum Einsturz brachte. Im Jahr 2008 verließ sie das Zeugenschutzprogramm. Das Ganze ist mir immer noch sehr unbehaglich; meiner Meinung nach war das, was sie getan hat, der größtmögliche Verrat an ihrer Familie. Das habe ich nie verstanden. Es war doch schließlich Teil des Lebens, in das sie hineingeboren wurde.
Genau wie bei mir.
Ich weiß, es sind furchtbare Dinge geschehen. Ich bedaure zutiefst, dass ich jemals, wenn auch indirekt, Menschen verletzt habe; Menschen, die Drogen nahmen und starben. Und dann waren da die Waffen, mit denen möglicherweise getötet wurde. Ich bedaure das alles
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