Mafia Princess
mit dem Jungen. Der war furchtbar verstört und meinte, zehn Minuten bevor das alles geschah, hätte Frank noch zu ihm gesagt: »Ich bin ja so glücklich. Meine Freundin erwartet ein Baby, und das Leben ist einfach herrlich.« Der Junge schwor, es sei ein Unfall gewesen, und John und Franks Vater ließen es dabei bewenden. Franks Tod ist jetzt in irgendeiner Akte in irgendeinem Polizeicomputer gespeichert. Am Abend seines Todes trafen sich in Leeds ein paar Polizisten auf einen Drink, um das Ereignis zu feiern.
Als ich nach Hause fuhr, hatte ich das Gefühl, als löse sich mein ganzes Leben auf. Wir waren jetzt sechs Monate zusammen gewesen, und es war uns ernst mit unserer Beziehung. Danach gab es ein paar Momente, wie wir sie alle im Leben kennen, in denen ich dachte, es sei besser für die Welt, wenn ich mich aus ihr verabschiede – aber dann war da der Gedanke an Lara, der mich schnell von dieser albernen Idee abbrachte.
Ich habe immer ans Überleben geglaubt. Ich würde niemals aufgeben.
Und jetzt hatte ich ein kleines Wesen in mir, und es zeigte mir, dass der Überlebenskampf immer noch anhielt.
18 Neugeboren
»Es ist aus mit den Ungeheuern und den Heiligen.
Aus mit dem Stolz.
Nur die Menschen sind da.«
Jean Paul Sartre, Der Teufel und der liebe Gott , 1951
Den ganzen Schmerz über Franks Tod und die Sorgen der folgenden Wochen schrie ich mir am 21. Oktober 2000 im Royal-Victoria-Krankenhaus in Blackpool von der Seele. Meine Fruchtblase war geplatzt, aber ich verweigerte jede Betäubung, als sich der Kopf des Babys zeigte. Es dauerte sechs Stunden, bis der kleine Frank auf der Welt war, und wir überstanden die Geburt mit Lachgas und Sauerstoff auf dem natürlichsten Weg. Es war wichtig für mich, dass ich bei der Geburt den Schmerz spürte. Ich nannte meinen Sohn Frank, denn ich wollte, dass er etwas über seinen Vater erfuhr, der alles andere als perfekt war, aber eine gute, freundliche, liebevolle Seite hatte.
Franks Beerdigung in Leeds war schwierig gewesen. Es waren viele Leute da, einige davon kannte ich gar nicht, vor allem viele entfernte Verwandte. Es war ein Tag in einer Welt aus Zwielicht und Dämmerung.
Manche hatten Blumen an der Stelle hinterlegt, an der Frank zu Boden gegangen war, nachdem ihn der Schuss getroffen hatte. Einige Botschaften auf beigelegten Grußkarten erwähnten den amerikanischen Film King of New York aus dem Jahr 1990, in dem Christopher Walken einen Gangsterboss spielt, der aus dem Gefängnis entlassen wird und sich auf eine Vendetta gegen seinen Rivalen begibt. So dachten sie also darüber.
Ich hatte mich um Lara und den kleinen Frank zu kümmern, also löste ich meine Gedanken von den Machtkämpfen der Unterwelt im Nordwesten Englands und richtete sie auf meine eigene Großfamilie zu Hause, in Italien und anderswo. Ich war diejenige, die von außen einen sorgsamen Blick auf die Interessen einer Vielfalt von Personen werfen musste und mit den anhaltenden Intrigen der Mafia umzugehen hatte.
Valeria Vrba, die wunderschöne und entschlossene Überlebenskämpferin, lebte mit ihren Töchtern Etienne und Giselle, die meine kleine Schwester war, in der Slowakei. Sie hatte sich den Behörden entzogen, wurde aber nach wie vor gesucht, da sie, wie ich, eine wichtige Rolle bei den Geldbewegungen unserer Familie gespielt hatte. Valeria hatte mehrere Frauen in Banken in Genf und Zürich bestochen. Diese hatten gegen sie ausgesagt, um sich selbst etliche Jahre Gefängnis zu ersparen.
Auf diesen Konten lag eine Menge Geld, und ich hätte zu gern gewusst, was damit war. War es in die Taschen von jemandem gewandert? Wie auch immer, Valeria hatte sich der Geldwäsche von mehreren Millionen in diversen Währungen schuldig gemacht.
Als ich mit ihr telefonierte, riet ich ihr, zwecks Klärung der Lage einen Anwalt einzuschalten, doch sie meinte, das sei zu teuer. Vor sechs Jahren hätte ich ihr, ohne mit der Wimper zu zucken, das Geld gegeben, doch inzwischen hatte ich selber keines mehr. Ich sagte ihr, dass sie besser aus der Slowakei verschwand in ein Land, in dem sie vor Auslieferung sicher sei, aber sie hörte nicht auf meine Warnung. Einmal im Jahr schickte sie ihre Tochter Etienne nach Brasilien zu Mario, dem Sizilianer. Dabei hatte sie keine Ahnung, dass er sich immer noch an ihr und an meinem Vater rächen wollte. Er hatte gewartet, bis sich der ideale Zeitpunkt bot. Im Jahr 2000 fand er heraus, dass Etienne vom Flughafen Wien abfliegen sollte und Valeria sich am Flugplatz
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