Mafia Princess
Kapitel aus dem Roman Der Graf von Monte Cristo zu leben. Und es würde genauso aufregend werden, einschließlich Mord, Entführung, Gier, Bestechung und den Machenschaften mächtiger Familien.
Er steckte seinen Pass in ein Bankschließfach, womit er Lorenzo Serraino vorübergehend begrub. Als er aus der CitiBank auf die Second Avenue trat, nahm er sich als Graf Marco Carraciolo ein Taxi. Er war jetzt ein italienischer Auswanderer, ein glamouröser Aristokrat. Er sorgte dafür, dass Graf Marco sein eigenes, ganz persönliches Gesicht erhielt. Der Schönheitschirurg auf der Park Avenue, der um Dads Augen und Wangenknochen tätig wurde, veränderte seine Erscheinung zumindest für den flüchtigen Blick. Die zwanzigtausend US-Dollar, die er dafür bezahlen musste, reichten aus, dass man ihn auf den alten, von der italienischen Polizei über Interpol in Umlauf gebrachten Fahndungsfotos nicht erkannte. Graf Marco wirkte um einige Jahre jünger als Emilio Di Giovine, mit einem strahlenden, frischen Gesicht. Trotzdem war nicht er das Aushängeschild von Dads Restaurant Palio in Manhattan, auf der 57. Straße, Ecke Second Avenue. Das Lokal war an Fannys Bruder Emo verpachtet, doch Dad finanzierte das beliebte Restaurant, das er nach dem Palio, dem berühmten Pferderennen in Siena, benannt hatte.
Er hatte eine geradezu unheimliche Begabung für das Gaststättengewerbe und war als Restaurantbesitzer in Manhattan genauso erfolgreich wie als Hotelier in England. Der große Unterschied war, dass seine Hauptlieferanten in Manhattan nicht Fortnum and Mason waren, sondern die Mafia.
New York kannte Dad als Graf Marco, aber als Emilio Di Giovine respektierte ihn die Familie Gambino, die immer noch vom Ruhm des Mannes zehrte, der der mächtigste Pate in den Vereinigten Staaten gewesen war. Carlo Gambino, der »Boss der Bosse« der amerikanischen Mafia, war vier Jahre zuvor, im Jahr 1976, nach einem Herzinfarkt gestorben. Der Autor Mario Puzo schuf seine Romanfigur des »Paten« in Anlehnung an Gambino, dessen sanfte, oft hinfällig wirkende Haltung trügerisch und im Allgemeinen tödlich war. Niemals erhob er die Stimme, doch seine leisen Worte waren Mafiagesetz in Amerika.
Sein Sohn Joey Gambino war die ideale Kontaktperson für meine Familie. Er und Großvater Rosario hatten bei ihren Drogengeschäften dieselben puertoricanischen Banden benutzt. Joey neigte eher der geschäftlichen als der brutalen Seite der Gambino-Unternehmungen zu.
Aufstrebender Stern dort war John Gotti, der »elegante Pate«. Er bevorzugte maßgeschneiderte Anzüge und erlesenen Wein und drohte jedem, den er für nicht loyal hielt: »Ich jage dein Haus in die Luft.« Er war ein Mafioso der alten Schule, allzeit bereit, »die Samthandschuhe auszuziehen«, wenn es um, wie er meinte, wichtige Firmenbelange ging. Das hatte er mit Dad gemeinsam. Beide mussten sich ihr Prestige in ihrer Mafiafamilie erarbeiten.
Im Jahr 1979 war Gotti als Gegenleistung für »gute Arbeit« capo geworden – wobei die Arbeit in der Hinrichtung des rivalisierenden Gangsters James McBratney bestand, der mit einigen anderen Mafiosi Emmanuel »Manny« Gambino, den Neffen des Paten, entführt hatte. McBratney war als Einziger der Polizei entwischt, und der Pate hatte seinen Tod befohlen. Am 22. Mai 1973 wurde in Snoope’s Bar & Grill dreimal aus nächster Nähe auf ihn geschossen. Gotti wurde für den Mord verurteilt, aber als er das Hochsicherheitsgefängnis Green Haven in Stormville, New York, verließ, wurde er mit einer Beförderung belohnt.
Dad schloss Freundschaft mit Aniello Dellacroce, einem Unterboss der Gambinos. Auch mit dem obersten Chef, dem caporegime Paul »Big Paulie« Castellano, freundete er sich an und traf sich häufig zum Essen mit ihm. Er bewunderte ihn wegen seiner organisatorischen Fähigkeiten, und auch Castellano zollte Dad Respekt. Mit Gotti und den beiden anderen Männern traf er sich im Ravenite Social Club auf der Mulberry Street in Little Italy. Gotti leitete einen Fleischwarengroßhandel und führte außerdem einige Lebensmittelsupermärkte. Er und Dad wurden Partner im Kriminellen und im Kulinarischen; die Mafialäden und -fleischereien belieferten das Palio zu Vorzugspreisen.
Hinter den Kulissen liefen viele Unternehmungen der Gambinos, doch Dad fand damals, das gehe ihn nichts an. Er mochte die Einstellung dieser Leute: Geschäft war Geschäft, und Persönliches spielte nur eine Rolle, wenn es mit dem Geschäftlichen in Konflikt geriet. Als Dad im
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