Mafiatochter
überhaupt in diese missliche Lage gebracht hatte, indem er darauf beharrt hatte, die Treffen in der Wohnung direkt über dem Ravenite abzuhalten.
Mein Vater war klug genug, zu erkennen, dass die vom FBI aufgezeichneten Gespräche bedeuteten, dass John bereits erste Vorkehrungen für seine Ermordung getroffen hatte. Papa war überzeugt, dass John auf ihn eifersüchtig war und ihn deshalb loswerden wollte. John war immer neidisch darauf gewesen, welches Ansehen Papa bei den Jungs auf der Straße genoss.
Das FBI wusste, dass mein Vater John Loyalität geschworen hatte. Sie wussten aber auch, dass er nicht gut darauf reagieren würde, wenn er die Aufzeichnungen hörte, wie John bei Frankie über ihn hergezogen war. Aus diesem Grunde wurden sie abgespielt, als beide Männer gleichzeitig im Gerichtssaal anwesend waren. Dann sperrte man die beiden zusammen in einen Haftraum. Der Plan des FBI ging auf: Die Bänder verursachten einen schweren Bruch zwischen John und meinem Vater.
Sammy fragte John, ob er ihm etwas zu sagen habe. Er kochte innerlich vor Wut, doch ich glaube, alles, was er wollte, war eine Entschuldigung. Wahrscheinlich hätte er sich dann wieder beruhigt. John verweigerte ihm jedoch nicht nur die Entschuldigung, sondern drehte es obendrein so hin, als wäre mein Vater selbst daran schuld gewesen, dass auf den Bändern so schlecht über ihn gesprochen wurde. Papa habe ihn verärgert, sagte er, und er habe gegenüber Frankie lediglich Dampf abgelassen und nichts von alledem so gemeint, wie er es gesagt habe.
Papa sah, dass er keine Entschuldigung zu erwarten hatte. Ob John es nun tatsächlich so gemeint oder nur Dampf abgelassen hatte, spielte keine Rolle. Auf jeden Fall hatte man ihn nun wegen Mordes am Wickel.
Mein Vater war nicht dumm. Er spürte, dass John etwas im Schilde führte – dass er plante, ihm eine Falle zu stellen, um ihm die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Papa blieb nur noch eins übrig: eine Unterbrechung der Verhandlungen zu beantragen. Er brauchte einen eigenen Verteidiger, der beweisen müsste, dass John auf den Bändern gelogen hatte. Sammy ließ John über einen Rechtsanwalt eine Botschaft zukommen, dass er selbst einen Verteidiger engagieren werde, damit sein Fall separat verhandelt werden könne.
John schickte eine Nachricht zurück an meinen Vater, in der er ihm mitteilte, er könne das nicht tun. »Was würde die Öffentlichkeit denken?«, war Johns Antwort. »Außerdem braucht man auf der Straße John Gotti.«
Mein Vater war nun noch aufgebrachter. Die Stärke der Cosa Nostra lag darin, dass sie eine Geheimgesellschaft war. Wenn die Mitglieder ihren Eid ablegten, schworen sie, ihre Mafiafamilie sogar über ihre eigene Familie zu stellen. Sie erkannten die Gesetze und Verordnungen der Regierung nicht länger an und scherten sich herzlich wenig um die öffentliche Meinung. Die Cosa Nostra war ihre Regierung, und loyal waren sie nur untereinander. Wer zum Teufel scherte sich darum, was die Öffentlichkeit von John Gotti hielt? Sie hatten Papa wegen Mordes am Arsch.
John verweigerte Papa nicht nur die separate Verhandlung, sondern teilte meinem Vater obendrein mit, es sei ihm nicht länger gestattet, die Mitschnitte zu hören. Zudem könnten sich Papa und Frankie nur dann mit den Anwälten treffen, wenn Gotti dabei zugegen sei. Auf diese Weise kontrollierte John die Verteidigung der drei Männer. Ich bin ziemlich sicher, dass auch Frankie nicht ganz glücklich damit war, wie sich die Dinge entwickelten.
Mein Vater erzählte mir später, dass Frankie ihn im Gefängnis aufgesucht und vorgeschlagen habe, John gemeinsam zu töten, solange sie noch in Untersuchungshaft seien. Papa sagte, er habe darüber nachgedacht und sogar eine Liste von Leuten zusammengestellt, die er als nächstes hätte umbringen müssen, wenn er sich dazu entschlossen hätte, John zu töten. Dazu gehörten unter anderen auch Johns Bruder Pete und sogar sein Sohn, John Junior. Nachdem er hin und her überlegt hatte, entschied sich mein Vater gegen diesen Plan, zerriss die Liste und konzentrierte sich ganz auf seine Verteidigung. Mit John würde er sich nach der Verhandlung befassen, ob nun im Gefängnis oder auf der Straße.
Von diesem Punkt an stellte ich eine Veränderung bei meinem Vater fest. Er wirkte entmutigt. Ich glaube, es war das erste Mal, dass er seinen Eid der Mafia gegenüber in Frage stellte. Er hatte einer Bruderschaft die Treue geschworen, doch nun hatte ihn ein Bruder
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