Mafiatochter
zog es vor, seine Angelegenheiten selbst zu erledigen. Auch draußen schien Papa niemals ein Problem damit gehabt zu haben, mit Top-Leuten aus anderen Familien zu verhandeln. Er war eine geborene Führernatur, doch er verdiente sich seinen Respekt auch dadurch, dass er sowohl fair als auch loyal war. Papa war im Umgang mit anderen Menschen ungezwungen und äußerst loyal gegenüber denjenigen, die ihm wichtig waren. Anstatt dies als persönlichen Vorzug zu betrachten, sah John darin eine Bedrohung und hasste meinen Vater für den guten Ruf, den er sich erarbeitet hatte.
Um John abzuwimmeln, stimmte Papa zu. »Ja ja, du hast ja Recht, John«, sagte er immer, aber ich wusste, dass John verrückt war.
John war ein knallharter Mann, was aber nicht bedeutet, dass er von Grund auf schlecht war. Sein größter Fehler war seine Arroganz. Ich glaube, dass ihm die große Publicity, die er bekam, zu Kopf gestiegen war. Zu mir war er jedoch immer sehr galant, und er erkundigte sich stets nach meinem Befinden. Außerdem versuchte er, auf seine Art und Weise auf mich acht zu geben.
Während des Jahres, in dem Papa in Haft war, war ich an zwei Autounfällen beteiligt. Der erste ereignete sich in der Nähe unseres Hauses auf Staten Island. Ich fuhr in meinem schwarzen Nissan Maxima und übersah auf einer Kuppe ein Stoppschild, und ein Typ fuhr mir auf der Beifahrerseite in den Wagen. Mein Bruder brach sich das Schlüsselbein, und das Auto hatte einen Totalschaden. Na gut, vielleicht war es kein richtiger Totalschaden, aber wir brachten die Karre in eine Werkstatt – oder zu einem Schrotthändler, je nachdem, wie man es sehen will. Der Betreiber war ein Freund von Papa. Er sorgte dafür, dass es wie ein Totalschaden aussah, bis die Versicherungsfritzen auftauchten.
Nach dem zweiten Unfall, der nicht halb so dramatisch war, nahm mich John im Gefängnis beiseite und sagte: »Ich muss mit dir über diese Autounfälle sprechen. Was geht da vor sich?« Ich erklärte: »Na ja, John, ich lerne eben gerade Autofahren.« Seit ich zwölf war, saß ich hinterm Steuer, also war die Anfänger-Entschuldigung nicht ganz glaubhaft.
Er sagte: »Karen, ich hoffe, dass du fahren kannst, bis das alles hier vorbei ist. Wenn, was Gott verhüten möge, deinem Vater etwas zustoßen sollte, kann ich es mir bei deinem Autoverschleiß nicht leisten, dich durchzufüttern.« Ich lachte und dachte nicht weiter darüber nach. Mein Vater hingegen war durch Johns Worte sehr besorgt. Er gehörte zu den Menschen, die jedes Wort analysieren. Nach meiner Unterhaltung mit John konnte ich sehen, dass er sehr nachdenklich war. Ich bin sicher, er versuchte zu ergründen, was John tatsächlich gemeint haben könnte.
Etwa zu dieser Zeit stellte ich eine Veränderung im Verhältnis zwischen John und meinem Vater fest, was hauptsächlich durch die laufende Verhandlung bedingt war. Bei einer Anhörung am 21. Dezember kam es schließlich zum Eklat, als dem Gericht einige der geheimen Gesprächsmitschnitte zwischen John und Frankie vorgespielt wurden.
Mein Vater saß neben John am Tisch der Verteidigung, als die Bänder liefen. Die Aufnahmen stammten vom 12. Dezember 1989 und waren mittels einer vom FBI in einer Wohnung über dem Ravenite Social Club installierten Wanze gemacht worden. Diese Wohnung gehörte der Witwe eines Mitgliedes der Gambino-Familie. Sie war verwanzt worden, als das FBI bemerkt hatte, dass die Männer ihre geheimen Geschäfte nicht mehr wie üblich tätigten, indem sie die Bürgersteige von Little Italy auf und ab gingen.
Sie dachten, dass nunmehr das Apartment dazu diene. Als die Witwe Ferien machte und nicht in der Stadt war, verschafften sie sich Zugang. Gotti hatte die Wohnung nicht nach Wanzen abgesucht, weil er sie für sicher hielt.
Auf den Aufnahmen schimpfte John hauptsächlich über meinen Vater und bestätigte, dass Sammy ein Mörder sei. Er log aber hinsichtlich der Tatsache, warum die Morde begangen worden waren, und behauptete, Sammy habe ihn gedrängt, die Aktionen zu genehmigen. Dabei verhielt es sich genau anders herum. Außerdem beschuldigte er meinen Vater, gierig zu sein und Geld aus seinem Baugeschäft veruntreut zu haben, was ebenfalls gelogen war. Papa hatte John allein aus seiner Baufirma über 1,2 Millionen Dollar in bar gegeben.
Als mein Vater an diesem Tag vor Gericht saß, konnte er seine Wut kaum zügeln. Er regte sich nicht nur über die Lügen auf, die John dort auftischte, sondern auch darüber, dass John die Familie
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