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Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Gravano
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nicht abweisen, weil er dachte, dass dieser sonst einen anderen Weg finden würde, sich der Mafia anzuschließen. Also nahm er ihn unter seine Fittiche. So hatte er ihn wenigstens in seiner Nähe.
    Papa wusste, dass Gotti Joey gebeten hatte, zur Verhandlung zu gehen, um Papa mit seinen Blicken zu durchbohren. John tat alles in seiner Macht stehende, um Papas Willen zu brechen. Während Papas neun Tagen im Zeugenstand betrat einmal eine Frau den Gerichtssaal und schrie, Sammy habe ihre Söhne ermordet. Papa wusste nicht einmal, wer sie war; er hatte sie noch nie zuvor gesehen. Dann stürmten Gerichtsdiener herbei und ergriffen die Frau.
    Doch Papa war unerschütterlich und blieb während der gesamten Dauer des Prozesses stoisch. Jedes Mal, wenn John ihn zu zerbrechen versuchte, wurde er dadurch nur noch stärker.
    Am 2. April 1992 befanden die Geschworenen nach vierzehnstündiger Verhandlung John Gotti des dreizehnfachen Mordes und zahlreicher weiterer Verbrechen für schuldig. Frank Locascio wurde unter anderem wegen Mordes in mittelbarer Mittäterschaft und Geldwäsche verurteilt. Der vorsitzende Richter Leo Glasser bezeichnete die Zeugenaussage meines Vaters als »das Mutigste«, was ihm jemals untergekommen sei. John und Frank wurden zu lebenslangen Haftstrafen ohne Bewährung verurteilt. Gotti wurde zum United States Penitentiary in Marion, Illinois, geflogen, wo er den größten Teil seiner Strafe in Einzelhaft verbrachte, bis er am 10. Juni 2002 an Kehlkopfkrebs starb. Frankie wurde in ein Bundesgefängnis in Terre Haute im Bundesstaat Indiana gebracht, im April 2010 jedoch ins Federal Medical Center in Devens, Massachusetts, verlegt.
    Papas Zeugenaussage trug außerdem dazu bei, weitere siebenunddreißig Mitglieder der Mafia ins Gefängnis zu bringen, darunter Bosse der Familie Gambino sowie hochrangige Mitglieder der Familien Genovese, Colombo und DeCavalcante.
    Nach dem Gotti-Prozess kehrten Mama, Gerard und ich nach Staten Island zurück. Papa blieb in einer Bundesanstalt in Schutzhaft und wurde später nach Phoenix, Arizona, überstellt. Erst im September 1994 wurde er formal verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt hatte er den größten Teil seiner fünfjährigen Haftstrafe bereits abgesessen. Der Haftentlassung folgten noch einmal drei Jahre unter Auflagen und Meldepflichten.
    Ich ähnelte meinem Vater zwar sehr, doch konnte ich unmöglich gutheißen, was er getan hatte. Zudem konnte ich nicht darüber hinwegsehen, dass über meine Familie getuschelt wurde. Sogar Tante Fran und Onkel Eddie distanzierten sich von uns.
    Eine Zeitlang blieb ich zu Hause auf Staten Island. Ich war immer noch ein Teenager und sorgte mich sehr um mein Image und darum, was andere Leute über mich dachten. Die Wahl, die mein Vater getroffen hatte, verwirrte mich. Je mehr Artikel über ihn erschienen, desto aufsässiger wurde ich und fand, dass ich etwas beweisen müsse. Auch Mama spürte die Ablehnung. Ihre Freunde hatten sich von ihr distanziert, und sie wiederum begann sich zurückzuziehen. Die Leute hatten Angst davor, was man von ihnen denken könnte, wenn sie mit uns zusammen gesehen würden. Leute, die meinem Vater Geld schuldeten, ließen uns einfach im Stich. Das war nicht recht.
    Seltsamerweise wurde mein Bruder Gerard nicht geschnitten. Er war jünger als ich, und seine Freunde in der Nachbarschaft schien Papas FBI-Kooperation so oder so nicht zu kümmern. Er traf sich weiterhin mit seinen Kumpels und lebte ganz normal weiter. Seine Freunde waren noch nicht alt genug, um Möchtegern-Gangster zu sein, und die meisten Eltern seiner Freunde hatten keine Verbindungen zur Mafia. Ich hingegen schlug mich immer noch mit dieser lächerlichen Frage herum, die mich einfach nicht loslassen wollte: Wer war ich – ein aufrechter oder ein böser Mensch? Ich musste mich entscheiden. Ich konnte mich von »dem Leben« lossagen und selbst ein neues Leben beginnen.
    Als schlechter Mensch fühlte ich mich jedoch wohler. Das war die Welt meines Vaters, die mir ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Schutz gab, obwohl sie recht undurchsichtig war. In ihrer Vertrautheit war sie bequem. Mit dem trügerischen Gefühl der Unverwundbarkeit begann ich meinem Vater nachzueifern, als ich auf den Straßen von New York meinen eigenen Weg beschritt.
    In meinem Herzen wollte ich mich von der Entscheidung meines Vaters zur Kooperation abgrenzen. Das kriminelle Dasein fiel mir allzu leicht. Damals war mir das nicht klar, aber ich trat sein Vermächtnis an. Ich

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