Mafiatochter
verbüßte seine Haftstrafe in Arizona. Meine Mutter sprach regelmäßig mit ihm, um ihn über die Familie auf dem Laufenden zu halten. Ich besuchte ihn zwar nicht, telefonierte jedoch ab und zu mit ihm. Kurz nach einer ihrer Unterredungen verkündete Mama, dass wir nach Arizona umzögen.
Das FBI hatte Papa im Gefängnis aufgesucht und ihm mitgeteilt, sie hätten glaubhafte Informationen, dass möglicherweise ein Attentat auf Gerard geplant sei. Also wollte Mama, dass wir New York verließen.
Die Behörden gaben Papa nicht allzu viele Informationen, weil sie verhindern wollten, dass er sich sofort nach seiner Entlassung rächte. John Gotti hatte das Attentat nicht genehmigt. Ungeachtet seiner Beziehung zu meinem Vater verhielt er sich gegenüber mir, meiner Mutter und Gerard immer wie ein Mann.
Er ließ es nicht an uns aus, dass mein Vater kooperiert hatte. Wenn überhaupt, dann sorgte er im Rahmen seiner Möglichkeiten dafür, dass wir geschützt wurden. Nie hätte er zugelassen, dass uns etwas zustieß. So war er nicht. Er kannte die Regeln und hätte sie nie gebrochen, wenn es um Frauen und Kinder ging. Zudem hätte ihn wohl auch das FBI an die Kandare genommen, wenn uns etwas geschehen wäre. Ich glaube, John konnte tief im Innern nie akzeptieren, was mein Vater getan hatte, aber er wusste, wer mein Vater war und warum er es getan hatte. Ich weiß nicht, welches Motiv hinter dem geplanten Attentat auf meinen Bruder stand. Vielleicht wollte man Sammy damit eine Botschaft schicken. Vielleicht wollte sich auch nur irgendein Idiot durch den Mord an Gerard einen Namen machen.
Die Agenten erzählten meinem Vater, es sei geplant, dass ein guter Freund Gerard in einen Nachtclub locken solle. Dort werde ein Killerkommando auf ihn warten und ihn töten. Ein ehemaliger Mitarbeiter meines Vaters schob der Sache jedoch einen Riegel vor. Papa hatte ihm einst das Leben gerettet, sodass er es für seine Pflicht hielt, dafür zu sorgen, dass unserer Familie nichts geschah. Wir hörten, dass der Mann gedroht habe, eigenhändig jeden umzubringen, der es wage, Gerard auch nur ein Haar zu krümmen.
Obwohl Papa kooperiert hatte, hatte er auf der Straße noch viele loyale Freunde. Es gab viele Leute, denen er nicht geschadet und gegen die er nicht ausgesagt hatte, Menschen, die für ihn schlicht unantastbar waren, Punkt.
Papa wandte sich an Mama, um die ganze Angelegenheit zu besprechen. Sie freuten sich über den Schutz, fürchteten jedoch, dass Gerard immer eine Zielscheibe bleiben würde. Er würde immer im Schatten von Sammy the Bull stehen.
Meine Eltern beschlossen, dass es das Beste sei, wenn wir aus New York wegzögen. Mama entschied sich für Arizona, weil sie den Staat schon einmal besucht hatte und es ihr dort gefallen hatte. Gerard war achtzehn und gerade mit der Highschool fertig, und Phoenix war eine umtriebige College-Stadt, perfekt für jemanden in seinem Alter. Meine Tante Diane war frisch geschieden, also hörte sich ein Ortswechsel auch für sie gut an. Mama, Gerard, Gerards Freundin Maria, Tante Diane und ihre zwei Kinder Gina und Anthony waren bereit für den großen Umzug. Mama sagte, sie möge das warme Klima und den langsameren Lebensstil des Südwestens.
Sie kaufte ein hübsches, geräumiges Haus in einem Vorort von Phoenix, und Tante Diane erwarb das Haus direkt daneben. Sie öffneten sogar ihre Hinterhöfe, um die Grundstücke zusammenzulegen. Meine Mutter hatte eine Freundin, die jemanden kannte, der ein Geschäft verkaufen wollte, einen Bagel-Laden in Temple in der Nähe der Arizona State University. Sie dachte, sie könne ihn gemeinsam mit Gerard betreiben.
Gerard fand die Idee gut. Er hatte zwar nicht genau gewusst, was er in Arizona anfangen sollte, aber er wollte bei unserer Mutter sein. Ich hingegen lehnte es ab, sie zu begleiten. Ich sei eine waschechte New Yorkerin, sagte ich zu ihnen, und hätte nicht die Absicht, die Stadt zu verlassen.
Die Beziehung mit Lee wurde immer fester, und ich hatte viel Spaß. Manchmal vergaß ich sogar, dass mein Vater im Gefängnis saß. Das Haus an der Lamberts Lane war leer, seit Mama und Gerard fort waren. Sie hatten ihre Sachen gepackt und eine Menge Kram mit nach Arizona genommen. Mir blieben nur das Nötigste und mein eigenes Zeug. Ich lud Lee ein, bei mir einzuziehen. Damals besaß er ein eigenes Haus auf Staten Island, also verkaufte er es und brachte seine Habseligkeiten mit zu mir. Er war ein Bankräuber, also brauchte ich nicht unbedingt zu arbeiten.
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