Mafiatochter
Ich wusste, dass mich die Leute für die Taten meines Vaters büßen ließen. Sie sagten es mir zwar nicht ins Gesicht, aber sie sagten es hinter meinem Rücken. Meine Freundinnen gaben mir nie dieses Gefühl. Sie standen stets zu mir. Dasselbe galt für die Kids, mit denen ich mich auf dem Schulhof traf, man mag es glauben oder nicht. An diesem Punkt scherte es mich nicht, was die Anderen dachten, solange ich noch meine Freundinnen und ein paar loyale Freunde vom Schulhof hatte. Dass sich Papas Freunde von uns abwandten, störte mich immer weniger. Ich hatte meine eigene Clique, Menschen, denen ich etwas bedeutete.
In diesem Moment begann meine Rebellion gegen meinen Vater und seinen gesamten Lebensstil.
Mama schickte an alle, die sie kannte, eine Nachricht. Darin hieß es, dass wir nicht den geringsten Anteil an Papas Entscheidung hätten und nicht ins Zeugenschutzprogramm gingen. Wir kommunizierten mit meinem Vater übers Telefon, doch sämtliche Besuche stellten wir ein. Von Zeit zu Zeit sahen wir immer noch die Agenten, die meinen Vater verhaftet hatten, an unserem Haus vorbeifahren. Sie fuhren bewusst langsam, damit ich sie auch sehen könnte, wenn ich gerade draußen wäre. Nun, da mein Vater fort war, fragte ich mich, warum sie uns immer noch beschatteten. Es war, als täten sie das nur, um mich zu ärgern. Papa sagte mir jedoch später, dass er den Agenten, die ihn jahrelang observiert hätten, irgendwann sympathisch geworden sei. Es waren dieselben Typen, die mich so oft dabei beobachtet hatten, wie ich mich aus dem Haus geschlichen hatte. Nun, da Papa im Gefängnis saß, hielten sie es für ihre Pflicht, uns zu schützen.
Wenn ich mit Papa telefonierte, waren unsere Gespräche immer sehr oberflächlich. Ich war aufrichtig, wenn ich ihm sagte, dass ich ihn vermisste. Das tat ich wirklich. Ich wollte ihn auch nicht verletzen. Ich war jedoch sehr wütend und verwirrt und sagte deshalb viele verletzende Dinge.
Nun, da das geheime Leben meines Vaters in den Medien ausgebreitet wurde, flüchtete ich mich in eine Art Rauschzustand. Ich befand mich in einem Zustand totaler Rebellion und verbrachte die nächsten paar Monate damit, in New York auf die Pauke zu hauen. Ich ging in Clubs, trank, tanzte und rauchte Gras bis zum Exzess. Meine Mutter versuchte, mit mir zu reden, aber ich kümmerte mich nicht darum. Meinen Freunden war es egal, was mein Vater getan hatte. Sie nahmen mich, wie ich war, und das war ein gutes Gefühl.
Vier Monate nach der Aussage meines Vaters kam John Gotti vor Gericht. Ich versuchte, das Ganze auszublenden, so schwer das auch war. John hatte Mama gebeten, die Verhandlungen zu besuchen, um meinen Vater abzulenken, wenn er im Zeugenstand sei. Sie sagte jedoch, das könne sie nicht tun, und John hatte dafür Verständnis. Über ihr Leben wurde nicht verhandelt, also blieb sie der Sache fern.
Meine Mutter, Gerard und ich gingen für die Dauer des Prozesses nach Kalifornien. Ich wollte nicht in New York bleiben und jeden Tag die Zeitung aufschlagen, um darin ein Bild meines Vaters mit einem Rattenkopf zu erblicken. An diesem Bild störte ich mich sehr. Ich war fest davon überzeugt, dass mein Vater nicht deshalb kooperierte, weil er Angst vor der lebenslangen Haftstrafe hatte, und doch sagten die Leute genau das über ihn. Ich begriff, dass es tiefere Gründe geben musste, als es den Anschein hatte, tat jedoch das Richtige und hielt meinen Mund.
John stand in dem Ruf, die Geschworenen zu manipulieren, also sonderte man sämtliche Geschworenen für die Dauer des monatelangen Verfahrens ab. Die Nachrichten nannten es den »Prozess des Jahrhunderts«, und die Strafverfolger bezeichneten meinen Vater als »wichtigsten Zeugen in der Geschichte des organisierten Verbrechens in den Vereinigten Staaten«.
Neun lange Tage war mein Vater im Zeugenstand. Meine Mutter hatte es abgelehnt, der Verhandlung beizuwohnen, um Papa einzuschüchtern. Doch Joey d’Angelo, der Sohn von Papas bestem Freund Stymie, saß an dem Tag, als mein Vater den Zeugenstand betrat, in der ersten Reihe auf der Galerie. Papa war sehr wütend auf John Gotti, dass er den Jungen dazu getrieben hatte. Mein Vater hatte immer ein schlechtes Gewissen gehabt, weil er Joey bei der Mafia eingeführt hatte. Es war nicht das, was sich die Männer für ihre Kinder auf ihrem künftigen Lebensweg wünschten. Doch nach Stymies Tod klebte Joey förmlich an Papa. Er blickte zu ihm auf und sah in ihm eine neue Vaterfigur. Papa wollte Joey
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