Magermilch
bestellt, um den Nachmittag mit Sprudel, einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen vor dem Hütterl zu verbringen.
Fanni hatte die ehemalige Holzhauerhütte vergangenes Jahr vom Forstamt erworben, als die Wälder oberhalb von Birkenweiler durch Wirtschaftswege erschlossen worden waren. Es hatte sich ein Tausch ergeben: Der Staatsforst vereinnahmte ein Segment von Fannis Wald, dafür erhielt Fanni das Stückchen Staatsforst, auf dem die Hütte stand.
Sie hatte viele Wochen darauf verwandt, ihre Eremitage, wie sie das Hütterl anfänglich nannte, wohnlich herzurichten. Dann hatte sie Sprudel zu diesem Zufluchtsort mitgenommen, und seitdem hatten sie viele gemeinsame Nachmittage dort verbracht. Nachdem die kleine Holzhütte im vergangenen Jahr beinahe einer Brandstiftung zum Opfer gefallen wäre, hatten sie gemeinsam Wiederaufbauarbeit geleistet, und damit war ihnen ihr Schlupfwinkel im Wald noch mehr ans Herz gewachsen.
Das Hütterl lag auf einem kleinen Plateau über einem Steilhang, an dessen Fuß der Wirtschaftsweg entlang- und dann weiter östlich in etlichen Schleifen auf den Birkenweiler Hügel hinaufführte. Ein Stück unterhalb der Hügelkuppe näherte sich der Weg in einer Linkskurve dem Hütterl auf circa fünfzig Meter.
Den Steilhang kletterte außer Fanni und Sprudel nie jemand hinauf.
Von jener Kurve des Wirtschaftswegs aus war es zwar nicht weit zum Plateau, aber die Sicht darauf war durch Bäume und dichtes Buschwerk versperrt. Wer sich dennoch auf die Lichtung verirrte, sah nur eine alte Hütte, die scheinbar schon jahrzehntelang vor sich hin rottete.
Fanni hatte sich gehütet, an der Fassade irgendetwas zu ändern. Dadurch war es ihr gelungen, den Zufluchtsort geheim zu halten. Nur Leni und Marco wussten davon. Auch sie kamen oft hierher.
Gleich nach dem Mittagessen, kaum dass sich Hans Rot wieder auf den Weg ins Büro gemacht hatte, sprang Fanni in ihren Wagen.
Sie parkte wie üblich bei der Abzweigung des Wirtschaftswegs und nahm den Aufstieg über den Steilhang, auf dem sie im Laufe der Zeit einen Pfad ausgetreten hatte.
Nachdem sie beim Hütterl angekommen war, blieb ihr noch eine gute Stunde bis zur verabredeten Zeit mit Sprudel, und diese Stunde wollte sie nutzen.
Sie raffte die Patchworkdecke und sämtliche Kissen von der Matratze, die in einen Holzrahmen gefügt als Sofa diente, und legte alles zum Lüften nach draußen in die Sonne. Eilig kehrte sie zurück, sammelte die Schaffelle von den Holzdielen und brachte sie ebenfalls hinaus.
Dann pumpte sie aus dem Brunnen neben der großen Buche, die das Hütterl nach Süden hin beschirmte, Wasser in einen Eimer, ließ Lavendelöl hineintropfen und begann, die Einrichtung der Hütte abzuwischen.
Fünfundvierzig Minuten später glänzten auch die Bodendielen feucht. Fanni wrang den Putzlappen aus und hängte ihn zum Trocknen auf. Das Wischwasser gab sie den Bäumen zu trinken. »Es ist gut für euch«, murmelte sie dabei. »Lavendelduft vertreibt Schädlinge.«
Als Sprudel an der Kante des Steilhangs auftauchte, standen bereits ein Campingtisch und zwei Stühle, die Fanni für solche Sommertage in der Hütte deponiert hatte, im Schatten der Buche. Der Kaffee dampfte in der Kanne, und auf einer Kristallplatte warteten drei Stück Bienenstich. Eins für Fanni, zwei für Sprudel.
»Du hast einen Kniefall verdient«, sagte er.
»Ein Küsschen tut es auch«, lächelte sie und bot ihm die Wange. Sprudel schien ein wenig enttäuscht.
Hätte er lieber einen Kniefall vollführt?
»Ich habe kurz bei Marco angerufen und mich nach Neuigkeiten erkundigt, bevor ich mich auf den Weg hierher machte«, erzählte Sprudel, nachdem er das erste Stück Kuchen genüsslich verzehrt hatte. »Frankl hat noch gestern Abend die Witwe vernommen.«
Fanni hatte gerade Bienenstich im Mund, deshalb konnte sie nicht erwähnen, dass sich ihr Weg mit dem des Kommissars gekreuzt hatte.
Sprudel fuhr bereits fort: »Stolzers Ehefrau ist wohl die Einzige, die den Klettergurt Tag und Nacht in Griffweite hatte. Als Bergsteigerin kannte sie sich mit Sicherungstechniken aus. Zudem wird sie gewusst haben, dass Willi über kurz oder lang beim Klettern Fotos schießen und dabei seinen Körper dem Klettergurt anvertrauen würde. Falls sich ein Motiv bei ihr fände …«
»Martha ist keine Mörderin«, fuhr Fanni auf. »Und schon gar nicht die ihres Mannes. Willi und sie haben sich gut verstanden.«
»Laut Vernehmungsprotokoll könnte es so sein, wie du sagst«, lenkte
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