Magic Girls 01 - Der verhängnisvolle Fluch
zu einer Antwort an, als plötzlich ein Knall ertönte. Mitten im Wohnzimmer erschien eine violette Lichtsäule und es erschien eine elegante Frauengestalt – Elenas Großmutter Mona. Sie trug ein violettes Kostüm mit einem weiten Faltenrock, hochhackige lila Pumps und natürlich wieder einen ihrer unvermeidlichen Strohhüte. Diesmal war er mit lauter Pflaumen dekoriert, dazwischen steckten drei schillernde Pfauenfedern.
»Hallöchen!« Mona lächelte. Ihr Lippenstift hatte genau denselben Farbton wie ihr Kostüm. »Ich hoffe, ich habe euch beide nicht erschreckt!«
»Doch, ein bisschen«, gab Elena zu. Hoffentlich hatte ihre Großmutter nicht mitbekommen, worüber sie und Miranda gerade geredet hatten!
»Das tut mir leid«, sagte Mona und lockerte ihre lila Stola. Die goldenen Kreolen an ihren Ohren blinkten. »Aber ich hatte keine Geduld, an der Haustür zu klingeln. – Wo steckt deine Mutter, Elena? Ich habe nämlich Neuigkeiten.«
»Ich glaube, Mama hat sich etwas hingelegt«, sagte Elena. »Sie hatte wieder Kopfschmerzen.«
»Kopfschmerzen, papperlapapp!« Mona fuchtelte mit ihren Händen herum, und Elena sah, dass auch ihre Fingernägel im passenden Violettton lackiert waren. »Sie lässt sich einfach hängen, seit dieses … äh … unerfreuliche Ereignis eingetreten ist. Aber das wird sich jetzt ändern.« Sie ging bis zur Treppe und flötete: »Jolanda! Ich bin’s, Mona. Es gibt Neuigkeiten, du wirst staunen!«
Sie wartete keine Antwort ab, sondern schnippte mit den Fingern, und schon lag Elenas Mutter mit ihrer getigerten Schlafdecke auf dem Wohnzimmersofa, zwei grüne Kompressen auf den Augen.
Jolanda stöhnte. »Mutter, kannst du mich nicht
einmal
in Ruhe lassen, wenn ich im Bett liege?« Sie richtete sich mühsam auf und nahm die Kompressen ab. Elena fand, dass ihre Mutter krank aussah. Sie war bleich und das dunkelbraune Haar wirkte fettig und kraftlos.
»Aber Kindchen!« Mona hockte sich ans Kopfende.
Elena fiel wieder einmal auf, wie grundverschieden ihre Mutter und ihre Großmutter waren. Mona sprühte vor Temperament, sie war hochgewachsen und schlank und legte großen Wert auf ihr Äußeres. Wo immer sie auftauchte, war sie eine auffallende Erscheinung. Jolanda dagegen war mittelgroß und mollig, sie trug einen schlichten Pagenschnitt und schminkte sich nur zu besonderen Anlässen. In der letzten Zeit lief sie zu Hause fast ständig im Jogginganzug herum. Dabei joggte sie nie, denn jede Art von Sport war in ihren Augen der pure Horror. Mona dagegen absolvierte regelmäßig ihre Workouts, immer vormittags von zehn bis elf Uhr.
»Jolanda, du sollst als Erste die frohe Nachricht erfahren! Wir haben die Chance, unseren guten Ruf wiederherzustellen, den wir durch diesen … äh …«, Großmutters verächtlicher Blick wanderte zu dem Terrarium, »…
Taugenichts
leider verloren haben.«
»Leon«, sagte Jolanda. »Nenn ihn nicht immer
Taugenichts
, Mutter. Er heißt Leon.«
»Er heißt
Nichtsnutz
. Er heißt
Versager
. Er heißt
Null
«, entgegnete Mona und ließ sich dabei jedes Schimpfwort auf der Zunge zergehen. »Er hat dich doch nur geheiratet, um auf unsere Kosten zu leben, wann begreifst du das denn endlich?«
»Ach, Mutter!«, stöhnte Jolanda. »Das stimmt gar nicht. Hör auf damit.«
»Jedenfalls war ich vorhin im Landeszauberamt«, fuhr Mona fort. »Und es ist mir gelungen, mit dem Oberamtszaubermeister zu sprechen. Es wird dringend eine Familie gesucht, die ins HEXIL geht, um die Informationen über
Homo sapiens sapiens
zu aktualisieren. Du kennst doch bestimmt dieses Buch
Vom Umgang mit Menschen
von Adrian Freitag Zwigge. Das ist ein Standardwerk über die Menschen, aber einige Teile davon sind inzwischen etwas veraltet und müssten auf den neuesten Stand gebracht werden. Wer könnte das besser als wir? Wir sind eine Familie, wir werden uns unauffällig verhalten, du bist noch dazu Journalistin und weißt, wie man die Leute aushorcht …«
Jolanda sah ihre Mutter ungläubig an. »Ins HEXIL? Das ist nicht dein Ernst, Mutter!«
Jetzt schaltete sich Elena ein. »HEXIL – was ist das?«
Mona wandte den Kopf und lächelte ihrer Enkelin zu. »HEXIL nennt man einen längeren Aufenthalt in der Menschenwelt.«
Elena schnappte nach Luft. Ein Aufenthalt in der Menschenwelt. Das war fast so unvorstellbar wie eine Reise zum Mars. Elena wusste, dass neben ihrer eigenen Welt eine Parallelwelt existierte, in der die Menschen lebten. Nur eine dünne, aber sehr starke Grenze trennte die
Weitere Kostenlose Bücher