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Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt

Titel: Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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weghielt und sagte: »Du
siehst aber gut aus, Charlie!«
    »Nicht lügen, Ferdi, ich bin ziemlich fett geworden!«
    »Ja, wahrscheinlich. Stell ab, setz dich.«
    Er ließ
sich wieder hinter seinem Schreibtisch nieder. Ich stellte meine Tasche ab und
setzte mich auf die andere Seite, genau wie bei Dr. Selge.
    »Wo ist Raimund, ist der auch da?«
    »Nein, der
doch nicht«, sagte Ferdi. Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Mann,
Charlie, bist du also doch noch gekommen!«
    »Wieso, hab ich doch gesagt: Montag Mittag.«
    »Wir haben halb zwei, Charlie! Ich sitze hier seit zwölf wie auf Kohlen, wir brauchen dich doch!«
    »Konnte ja
nicht ahnen, dass der Zug von Hamburg immer noch so lange braucht«, sagte ich.
    »Wann warst
du denn das letzte Mal in Berlin?«
    »Bevor ich in die Klapse kam, Ferdi.«
    »Da stand ja noch die Mauer.«
    »Ja, aber die fiel an dem Tag gerade.«
    »Mann,
Charlie …« Ferdi dachte kurz nach. »Und bist du wieder okay?«
    »Ja,
einigermaßen.«
    »Na dann
…« Er holte ein Päckchen Tabak aus der Brusttasche seines Hemds, faltete es
auf und entnahm ihm mit spitzen Fingern einen Joint. »Hast du was dagegen, wenn
ich den rauche?«
    »Wär mir
lieber, wenn nicht, Ferdi.«
    Er steckte
den Joint wieder in das Tabakpäckchen und drehte sich stattdessen eine
Zigarette. »Aber Zigarette ist okay, ja?«
    »Auf jeden
Fall«, sagte ich. »Tabak ist das Heroin vom Trockendock!«
    »Ha, der
ist gut! Den merk ich mir! Und du warst nach dem Mauerfall nie wieder in
Berlin? Wie gefällt dir denn der Osten jetzt so?«
    »Alles
super, Ferdi. Erinnert mich irgendwie an Altona. Oder Bielefeld. So kleine
Häuser und so.«
    »Hier ist
viel passiert, Mann, guck dir nur mal unser Büro an.«
    »Ja, das
ist toll.« Ich drehte mich auf meinem Stuhl herum und sah ein bisschen in die
Tiefe des Raums. Überall waren Regale mit Platten und CDs und Kartons und Akten
und was weiß ich, und Poster und Wimpel und Goldene Schallplatten und Fotos
und Postkarten hingen an den Wänden und ich zählte sechs Schreibtische, bis ich
das Interesse verlor. Auf allen lag viel Zeug herum, so als ob hier wirklich
gearbeitet wurde. Das war nicht das BummBumm Records, an das ich mich
erinnerte. Das hatte im Bürokabuff vom BummBumm Club in eine Bananenkiste
gepasst. Weiter hinten saßen auch noch zwei Leute herum, junge Männer, Anfang
zwanzig, wie es schien. Sie schauten zu mir herüber, also winkte ich.
    »Das sind
Holger und Basti«, sagte Ferdi. »Kommt mal her und sagt Charlie Guten Tag!«,
rief er nach hinten.
    Holger und
Basti kamen herüber und sagten Hallo. Sie sahen ganz nett aus und sehr jung und
auch ein bisschen übernächtigt.
    »Holger und
Basti sind Praktikanten hier. Außerdem machen sie Musik, dann heißen sie Hosti
Bros, wir haben vier Maxis mit ihnen gemacht«, Ferdis Stimme wurde laut und
gespielt streng, »und drei sind gefloppt, das waren die einzigen Maxis in den
letzten zwei Jahren, die weniger als 1000 Stück
verkauft haben! Aber jetzt gerade ist die neue draußen, da sieht’s ganz gut
aus!«
    Holger und
Basti nickten und grinsten.
    »Ansonsten«,
fuhr Ferdi fort, »sind sie hier Praktikanten, damit sie das zur Not alles mit
Arbeit wiedergutmachen können und irgendwovon müssen sie ja auch leben, fürs
Auflegen kriegen sie ja kaum was. Jedenfalls nicht bei uns im Club!«
    Holger und
Basti nickten.
    »Aber das
wird schon noch.«
    »Ganz
sicher«, sagte ich.
    »Nun aber
arbeiten!«, sagte Ferdi.
    Holger und
Basti gingen wieder an ihre Schreibtische.
    »Das Haus hier gehört uns auch. Haben wir gekauft, wir mussten
ja irgendwo hin mit dem ganzen Geld!«
    »Stark, Ferdi!«
    »Warum
gehen wir nicht raus ins Lala und dann essen wir was und ich erzähle dir
alles.«
    »Auf jeden
Fall, Ferdi.«
    Das Lala war irgendwas Asiatisches mit
Suppen und so weiter, es war proppenvoll und die Leute aßen, als ob sie gleich
wieder zur Arbeit müssten. Ferdi bestellte für uns beide eine Suppe, eine
scharfe mit Nudeln drin, von der er meinte, dass sie besonders gut sei. Die
wollte er dann unbedingt draußen essen. Es war zwar schönes Wetter, aber nicht
besonders warm, es war ja noch April, und sie mussten uns draußen extra einen
Tisch herrichten, aber Ferdi bestand darauf.
    »Ich will
sie ja nicht in Verlegenheit bringen, weil ich den Sticki bei ihnen drinnen
rauche, das sollten sie eigentlich zu schätzen wissen«, sagte er, als wir
endlich saßen und er sich den kleinen Joint anzündete. Dann sah er mich
prüfend an.

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