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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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Sachen passieren, mit denen man nie gerechnet hat. Ich meine, kennst du irgendeinen, der schon mal bei einem Dorfdisco-Abend für Behinderte und Nichtbehinderte …«
    »Welche Nichtbehinderten? Du etwa? ›Crossover Night‹ hieß das bei denen! ›Crossover Night‹. Tu dir das mal rein!«
    »Ja und? Dagegen ist doch nichts zu sagen! Ich meine, wir wären doch voll die arroganten Ärsche, wenn wir das nicht, ich meine, wir dachten, da sind so Bauern und Güllewagen und Schlägereien und Billigspeed, und dann haben die da Rollstuhl-Abend, das ist doch ganz klar Magical Mystery, ich meine, die Magnetic-Leute machen die Springtime, das kann jeder, das ist sowieso das neue Gummistiefel, aber wir voll auf dem Lande und dann Behindertendisco, ich meine, das ist doch Magical Mystery total!«
    »Wenn ihr euch nicht sofort vertragt und die Hand gebt, hau ich euch!«, sagte ich.
    Mein Funktelefon dudelte. Ich fummelte es aus der Jacke, während die beiden sich die Hand gaben.
    »Ja?«
    »Karl?«
    »Ja.«
    »Gudrun hier!«
    »Gudrun!«
    »Ja, Gudrun!« Das klang streng. »Ich muss mal mit dir reden!«
    »Ich hab das Bier nicht getrunken, das war ein Versehen, ich hab’s gleich wieder ausgespuckt, gleich ins Hafenbecken, da war nichts, das war nur ein Versehen!«
    »Wieso Bier? Was für ein Bier denn jetzt?«
    »Wegen Klaus-Dieter.«
    »Bier wegen Klaus-Dieter? Hör mal, Karl, das kannst du alles mit Werner abkaspern, wenn er wieder da ist, okay? Das macht ihr alles schön auf dem Plenum ab, er kommt morgen schon wieder, dann melde dich bitte bei ihm, dem ist jetzt der ganze Urlaub versaut, weil du da diese Sperenzchen machst. Da hättest du ruhig mal ein bisschen Rücksicht nehmen können.«
    »Das ging nicht anders, Gudrun. Ich konnte das nicht mit St. Magnus. St. Magnus hätte mich fertiggemacht. Ich habe im Grunde genommen nur das gemacht, was Werner immer gesagt hat: Zur Not weglaufen!«
    »Wenn das deine Erklärung ist für den Scheiß, den du angestellt hast, dann wünsche ich dir viel Glück! Aber deswegen rufe ich nicht an.«
    »Was gibt’s denn? Wie geht’s euch überhaupt so?«
    »Deswegen rufe ich auch nicht an, Karl, ich bin nicht deine Mutter.«
    »Nein, da sagst du was!«
    »Es ist wegen dem Meerschweinchen. Ich wollte vorhin gerade aus dem Haus, da kam hier so ein Typ von deinem Kinderheim, Herr Niemeyer, der hatte ein Meerschweinchen dabei. Das hättest du gestern bei denen vergessen, hat er gesagt.«
    »O weh!«
    »Ich hab das jetzt hier. In einem Karton. Ich weiß ja nicht, was du da für kranke Dinger am Laufen hast, aber wenn du … – wo bist du überhaupt?«
    »Schrankenhusen-Borstel«, log ich auf die Schnelle, es war das Erstbeste, das mir einfiel.
    »Kenne ich«, sagte Gudrun. »Das ist in Schleswig-Holstein, da habe ich mal mit Behinderten gearbeitet. Das ist nicht weit, da gebe ich dir eine Stunde, Karl Schmidt, genau eine Stunde ab jetzt, dann bist du hier und nimmst das Tier mit, sonst vergesse ich mich!«
    »Kein Problem, ich hol ihn ab«, sagte ich.
    »Eine Stunde!«, sagte Gudrun und legte auf.
    Raimund und Ferdi sahen mich neugierig an.
    »Tja«, sagte ich. »Bolek ist zurück auf der Magical Mystery Tour!«
    »Bolek?«
    »Ja, jetzt sind wir bald wieder alle zusammen«, sagte ich.
    Dann ging ich zum Auto, um den Meerschweinchenkäfig wieder herzurichten. Gut, dass ich den noch nicht weggeworfen hatte.

65. Geniale Frau
    Als ich klingelte, machte Gudrun mit einem Schuhkarton in der Hand auf, da war Bolek drin. Er machte mit den Füßen, mit denen er auf der Pappe nicht richtig vorankam, ein scharrendes Geräusch, und er fiepte auch ein bisschen.
    »Hier!«, sagte Gudrun. Sie hielt mir den Karton hin. »Ich hab ihm etwas Salat gegeben.«
    »Das ist gut«, sagte ich und nahm ihr die Schachtel aus der Hand. Bolek kriegte die Panik von dem Geschaukel und versuchte, sich unter den Salat zu wühlen. Ich streichelte ihn vorsichtig.
    »Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?«, sagte Gudrun und schaute nicht mich, sondern Ferdi und Raimund an, die hinter mir standen und über meine Schulter in den Karton und auf Bolek schauten.
    »Der gute alte Lolek«, sagte Ferdi.
    »Bolek«, sagte ich. »Lolek ist doch tot!«
    Raimund und Ferdi waren mir seit Gudruns Anruf nicht mehr von der Seite gewichen, sie hatten mir beim Herrichten des Käfigs geholfen, zu zweit im Hotel die Wasserflasche aufgefüllt und waren mit in eine Zoohandlung gefahren, um nochmal Streu und Heu zu kaufen, und dort hatten sie auch

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