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Magical Mystery

Magical Mystery

Titel: Magical Mystery Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Regener
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bisschen Musik an und schaute der Welt dabei zu, wie sie sich unter Bummbumm-Klängen selbst das Licht abdrehte. Ich hatte Durst. Dann hatte ich Hunger. Aber ich blieb eisern im Auto. Kein Catering, keine Backstage, keine Getränkebons für mich. Als es endlich richtig dunkel war und Fuchs und Hase sich Gute Nacht sagten, legte ich mich oben aufs Komabrett und schaute durch eine durchsichtige Dachluke in den Himmel. Ich war todmüde, aber schlafen konnte ich nicht, ich schaute in den Himmel, in dem die Wolken aufrissen und einzelne Sterne kurz aufblitzten und dann wieder verschwanden, da oben war viel Wind und viel Bewegung und hier unten auch, das Auto schwankte unter Böen, die mal von hier, mal von dort zu kommen schienen und immer wieder kurz aufheulten, wenn sie das Auto zausten und wie Gespenster weiterjagten, und ich fühlte mich einsam, aber es war keine unangenehme Einsamkeit, keine, die einem die Luft abschnürt und das dunkle Gefühl reinlässt, ich hatte ja die Windböen und das Schwanken des Autos und die gelegentlichen Sterne und eine Zigarette hatte ich auch noch, und ich drückte die Dachluke auf einer Seite nach oben, wodurch das Heulen des Windes stärker wurde und ich zusehen konnte, wie der Rauch der Zigarette durch die Öffnung gesaugt wurde und sich mit den Wolken am Himmel vermischte, bis ich so müde war, dass ich die brennende Kippe an die Dachluke hielt, wo sie vom Unterdruck hinausgesaugt wurde, eine kleine, funkensprühende Sternschnuppe, und ich schloss die Augen und schlief ein und träumte von Barkassen und Bier und großen Containerschiffen, die Kaffee geladen hatten für eine Überseefahrt nach Altona oder, wie in meinem Traum der Kapitän zu mir sagte: »Nach Alkoholtona.«

63. Frag nicht!
    Ich wachte davon auf, dass sich jemand auf mich legte. Es war Rosa, sie roch nach Alkohol und rüttelte an mir herum. »Wach auf, Charlie, und gib mir einen Kuss!«
    »Wie läuft’s denn so?«
    »Frag nicht, küss mich!«
    Ich küsste sie, und der Kuss schmeckte nach Alkohol, süß und gefährlich, und wir fummelten aneinander herum, obwohl das in dem engen Komabrett und voll angezogen, wie wir nun mal waren, nicht viel brachte, vorausgesetzt, man neigte, was das Fummeln betraf, zu einer »teleologischen Herangehensweise«, so hatte Erwin Kächele, der alte Diskursgastronom, das mal genannt, in längst vergangener Zeit, da war er mal im Notstand gewesen, nun gut, im Notstand, wer war das nicht, wer da frei von Notstand ist, der werfe den ersten Stein, nicht aber Rosa, denn die mühte sich eifrig, während draußen noch immer der Wind heulte und nicht klar war, ob nun der Wind oder unsere unkoordinierten Fummelaktivitäten das Auto so zum Schwanken brachten, sie zerrte an meinem T-Shirt in einer Weise, dass man nicht wusste, ob sie es zerreißen oder ausziehen wollte, wahrscheinlich egal, aber bevor sich die Sache auf die eine oder andere Art entschied, ging unten schon die Tür auf und wir hörten Stimmen, »Scheiße« und »Was machen wir denn jetzt?«, also hörten wir auf mit der Fummelei und stellten uns schlafend, und da guckte auch schon Bastis Kopf durch den Komabretteinstieg und er rief: »He, Leute, ist da oben noch Platz? Wir sind fertig und würden gerne schlafen, bis wir abfahren.«
    Und schon kam Basti hereingeklettert ins Komabrett, »Wo ist denn hier wer?«, sagte er.
    »Hau ab, du Sau«, sagte Rosa und Basti kicherte und sagte: »Ach Rosa, du auch hier!«, und dann kroch er ins hintere Teil des Komabretts, wo er sich zu unseren Füßen querlegte und zusammenrollte wie ein Tier beim Winterschlaf.
    »Und ich?«, rief Holger, der jetzt ebenfalls nach oben kam. »Ich will da auch irgendwie rein.« Er legte sich neben uns und streckte sich aus und trat dabei Basti in die Rippen und der schimpfte und Rosa sagte »Ich halt’s nicht aus!« und ließ sich durch die Komabrettöffnung auf die darunterliegende Sitzbank fallen und ich hinterher, ich musste aufpassen, nicht auf sie draufzutreten, weil sie gleich unterhalb der Komabrettöffnung sitzen blieb und sich die Haare richtete, und dabei sah ich, dass auf der hintersten Bank schon Anja und Dubi saßen und schliefen, Arm in Arm, halb zur Seite gekippt. Kaum war ich unten und auf der mittleren Sitzbank, auf der Rosa saß, angelangt, drückte sie mir noch einen Kuss auf den Mund; dann schob sie mich weg, streckte sich auf der Bank aus und schlief ein.
    Ich setzte mich hinter das Steuer und zündete mir eine Zigarette an und schaute in die

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